Seit Vorgestern sind wir im Bann der Philosophie, sind es die Töchter und Söhne, die uns die Welt erklären. Es ist ein faszinierendes Miteinander von Generationen, verbunden im Zuhören, Fragen und Denken. Hannes Halter (26), ein Freund von Toska (23), aus Heilbronn, Student an der Humboldt Universität in Berlin, wurde von mir spontan „adoptiert“. Seinen Bachelor schrieb er über Walter Benjamin.

Wir hängen an seinen Lippen, lauschen gebannt seinen Schilderungen über den so widerspenstigen Philosophen, der sich in keine Schublade stecken ließ, den manche als „chronischen Eckensteher“ bezeichneten, trotz seiner unglaublichen Präsenz und seinem universellen Feinsinn: Walter Benjamin, 1892 in Berlin geboren, 1940 unter mysteriösen Umständen auf der Flucht gestorben im spanischen Grenzort Port Bou.

Benjamin war der Held meines Studiums in Amerika. „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“ wurde zu unserer „Bibel“ für die Erklärung was Kunst ist, was Aura ist und was Authentizität besitzt. Während Hannes erzählt, flehe ich innerlich, dass ich mir all das merken kann, was dieser kluge junge Mann so trefflich klar zusammenfasst: Benjamins zentralen Begriffe von „Mythos“, von „Geschichte“, die für Benjamin niemals linear verläuft, sondern in die wir katzenartig hinein- und wieder hinausspringen sollen, von „Aura“ und schließlich von den geheimnisvollen „Schwellenräumen“.

Es entsteht ein komplexes Weltbild, oder richtiger gesagt, ein unglaubliches Puzzle eines kreativen Denk-Genies, das alles zerlegt, um es auf der Suche nach einem „göttlichen“ Ganzen wieder zusammenzufügen. Empfindung und Erfahrung, Wissen und Intuition spielen ein unendliches Spiel miteinander, indem die Kausalität aufgehoben ist.

Nichts ist, weil es anderes bedingt und umkehrt. Es öffnet sich eine Freiheit des Denkens. Walter Benjamin wird zu Pflichtlektüre für uns künstlerisch Arbeitenden, die wir eklektisch unseren eigenen Kosmos entwickeln.

Irgendwann fing es an zu regnen, es ist spät, der Vortrag war schon längst zu Ende, aber keiner wollte gehen, immer noch gab es eine nächste Frage, eine weiterführende Überlegung. Kurzum wurde die „Boutique“ im alten Kapitänshaus zum „Salon“ umfunktioniert, ein „Schwellenraum“, in dem nichts so ist wie es erscheint.

Ein außergewöhnlicher Abend, eine Sternstunde des Philosophierens, ein Miteinander von Töchtern, Söhnen, die kreuz-und-quer durch die Generationen die Welt erklären.

Fortsetzung folgt: Hannes ist eingeladen für den Herbst in die neuen Räumen von Roma e Toska in Hamburg. Dieser Ort würde Walter Benjamin gefallen, da sich dort Mythos, Geschichte, Aura und Schwellenerfahrung verbinden (Ab 12.10.2020).

Abb: Basic Seidenbluse „Kopernikus“ (€ 398), Vintageleder Gürtel (€189), Nadelstreifen Shorts (€ 398). Walter Benjamin „Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit“. Tasche Roberta di Camerino