Ennio Morricone starb gestern im Alter von 91 Jahren. Er schuf die Musik für mehr als 500 Filme, arbeitete mit den besten Regisseuren der Welt zusammen, zügelte deren Egos und ließ sich ihre Geschichte erzählen. Ein Drehbuch las er nie.
Überraschend vielleicht, aber er war für mich ein ganz besonderes Vorbild, und es gibt Versatzstücke aus seinem Leben, die sich mir in die Seele gebrannt haben. Wenn ich nur dieses eine Fotos, diese eine Filmsequenz wiederfinden könnte, wo er allein im Dunkeln sitzt und komponiert. So habe ich es immer für mich gesehen, wenn es ganz still und einsam wird, wenn alles sanft und laut, opulent und sparsam zu einem spricht, um sich wieder neu zu erfinden. Morricone entwickelte die Musik an seinem Schreibtisch, mit einer sparsamen Lampe über seinem Kopf und ein paar Blättern Papier vor sich.
Der Künstler wurde am 10. November 1928 in Rom geboren im Stadtteil Travestevere, „jenseits des Tibers“. Ein Viertel mit engen Gassen und pittoresken Häusern. Sein Klassenkamerad in der Schule war – es gibt keine Zufälle – Sergio Leone.
Beide sollten mit „Spiel mir das Lied vom Tod“ 1968 nicht nur den klassischen Western ablösen, sondern eine ganze neue Form dieses Genres etablieren. Leone kam zu Morricone, von dem er gehört hatte, dass er Filmmusik komponiert, und wollte ihn für die Detailarbeit des nachträglichen Vertonens engagieren. Morricone blieb reserviert und sagte, er würde es nur machen, wenn Leone ihm die Geschichte schildert, ein Skript gab es noch nicht.
Und so kam die Musik zuerst, und der Regisseur drehte nach dieser Musik den Film, die Sequenzen dauerten so lange, wie die Musikpassagen es vorgaben, mit Längen, die für unser heutiges Tempo ungewöhnlich sind.
Vielleicht ist es die Macht der Phantasie, die seiner Musik erlaubt, zögerlich zu sein und in dieser Zurückhaltung ihre Schönheit entwickelt. Morricone gelingt es, den Augenblick auszukosten und ihm eine pulsierende Kraft zu geben. Etwas, das die Regisseure genial auszunutzen wussten, in dem sie ihre Darsteller ebenso minimalistisch agieren ließen. Es reicht ein Blick, ein heißer Kaffee auf dem Tisch, das Pferd, das mit durchhängendem Zügel folgt …
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