Das Titelfoto wirkt ein wenig wie ein Snapshot. Ich habe die Schuhe abgestreift, man sieht meine Socken, Toska hat lässig die Beine angezogen, ein kurzer Blick in die Kamera, dann sind wir wieder vertieft im Gespräch, das wir schon auf unseren Spaziergängen am Meer begonnen hatten. Wie sieht die Zukunft aus, Toskas Zukunft? Natürlich beschäftigt es sie, sehr sogar. In kürze ist sie fertig mit ihrem Master in Philosophie. Was kommt dann?
Viele ihrer französischen Freund:innen sind fleißig dabei, an ihren CVs zu arbeiten: Praktika, erste Jobs, Arbeit von morgens bis abends, oft eintönig, nicht immer glücklich. Sie fühlen sich vorzeitig in einer Tretmühle. Toska erzählt mir von ihren ersten freien künstlerischen Arbeiten über die Schornsteine von Paris.
Sie hat die Zylinder in Ton gearbeitet, zusammen mit einem Freund die Konstruktion der verputzten Backstein-Schornsteine gebaut. Nun wird das Objekt an der Wand in ihrem kleinen Chambre de Bonne im sechsten Stock angebracht. Geht dort der Weg hin, von der Philosophie in die Kunst?
Ich höre ihr zu, fühle mich müde und genieße die Auszeit hier im Strandkorb mit der Sonne und dem Wind aus Osten, der über die nackten Beine streicht. Als ich so alt war wie sie, steckte ich mitten in der Endphase meiner Doktorarbeit. Straight forward, keine Ausflüge nach links und rechts. Meine Generation ist so erzogen, dass sie in Karriere und Gewinnoptimierung denkt. Wer schaut damit auf ein wirklich erfülltes Leben zurück? Das erzähle ich ihr.
Sie fühle sich alt, meint sie, und würde sich schämen, dass sie sich so viel Zeit für sich selbst nimmt. Ich finde es wichtig, es zu tun. „Die Freiheit, frei zu sein!“ (Hannah Arendt), das höchste Gut, sich diesen Luxus zu nehmen. Es wird auf diese Generation noch viel zukommen, das nur bewältigen kann, wer in seinem Inneren stabil ist.
Ich finde es mutig, in dieser Ernsthaftigkeit gegen den Strom zu schwimmen, sich den gängigen Mustern von Studium, Ausbildung, Beruf und Karriere zu verweigern, zumindest es kritisch zu befragen. Dann erzähle ich ihr von Claudia Rößger, wie sie sich ihren Weg in die Kunst gesucht und erarbeitet hat, wie unbequem und steinig es war, nicht nur eine eigene Handschrift zu entwickeln, sondern auch damit erfolgreich zu werden.
Claudia Rößger, links: Gelbe Sphinx, 2015, Öl auf Pappe (€ 1.200), rechts: Filz, 2021 (verkauft)
Ein Leben ist lang, und trotzdem fühlen sich die meisten gehetzt, gehen fahrlässig mit ihren Entscheidungen um, ob sie links oder rechts abbiegen sollten. Ermutigen wir die jungen Menschen zu zweifeln, anstatt sich von uns in vorgeprägte Bahnen schieben zu lassen. Ein Gruß an die Abiturient:innen.
Übrigens ist ein neuer Trend zur Abifeier: der Hosenanzug. Wie heißt es in der FAZ am Sonntag: „Wer will schon ansehen wie ein süßes Bonbon.“
Ich stimme ihnen in ihren Kommentaren zu 100% zu möchte aber auch darauf verweisen, dass oft gerade für Frauen eine finanzielle Unabhängigkeit von entscheidender Bedeutung sein kann…
Ruth
Sie haben recht. Virginia Woolf ist das Vermächtnis: Ein Zimmer für sich allein und ein eigenes Bankkonto.
Und Hannah Arendt dachte auch nicht anders mit Gruß aus Hannover Ruth
Auch von mir als Grundschullehrerin Applaus für die Mama, die zuhört und ermutigt, andere Wege zu wagen! Leider sind schon die Allerkleinsten oft in einer vorgegebenen Spur unserer auf Leistung und Wachstum orientierten Gesellschaft gefangen. Immer weniger Freiraum… immer weniger Möglichkeiten, eigene Ideen zu entwickeln, kreativ zu werden!
Mutter und Tochter sehen übrigens wieder ganz bezaubernd aus! Falls in einem Karton noch eine Roma e Toska Vintage Hot pants entdeckt wird, wie sie Ihre Tochter trägt, gerne bei mir für meine Tochter melden. 🌸
Ich fühle mich selbst als Lehrerin mit den Kindern unter Druck! Vor allem mit den Kindern, die nicht so leistungsstark sind! Die einfach erst mal Zeit für ihre persönliche Entwicklung benötigen! Diese Zeit fehlt überall!
Bravo Tosca und Applaus für die Mama….es ist mutig den Weg einer Künstlerin zu gehen und wertvoll unsere Entscheidungen beizeiten zu hinterfragen. An sich selbst zu glauben, in sich die Stärke zu finden, Erfolge zu geniessen und Misserfolge als Chancen zu verstehen. Das Leben immer wieder neu entdecken….mit allen Sinnen zu erLeben…das zu tun was wir Lieben… mit Leidenschaft zu SEIN..vollkommen unvollkommen :)) und glücklich im hier und jetzt, das dürfen wir erfahren, wenn wir es zulassen :))
Fürwahr! Die Freiheit frei zu sein in Kombination mit Gesundheit ist das Kostbarste, was ich mir gerade vorstellen kann, frei im Kopf, frei im Körper, frei in der Seele…