Heute lassen sich gleich zwei Adventstürchen (3 und 4) öffnen: Für ein mitreißendes Erlebnis mit Sternekoch Johannes King sowie für Spaß und Lachen, wie sie im Moment selten zu finden sind. Eine Freundin verabschiedete sich nach dem gestrigen Portwein-Tasting IT’S A DIENSTAG mit den Worten: Davon werde sie noch eine Weile zehren. Ich glaube, wir alle, aber der Reihe nach …

Über Johannes King muss ich nicht mehr viel sagen, mehrfach habe ich ihn vorgestellt. Seine Karrierestationen lassen sich nachlesen: Jüngster von zehn Kindern, aufgewachsenen in einem kleinen Ort im Schwarzwald, der – lauscht man seiner Schilderung – hauptsächlich aus Kings und Nonnen bestand.

Wenn Johannes durch die Tür tritt, verändert sich das Klima im Raum. Alles erscheint eine Spur heller, festlicher, besonderer. Die Mode rundherum wird zur Kulisse. Sofort zieht er jeden in seinen Bann, verteilt Gläser mit Portwein, schon mal als Welcoming, anschließend ein Stück Käse, Früchtebrot, Rosa Rogusa Konfitüre. Wer das erste Mal hier ist, fühlt sich sofort vertraut und heimisch.

Möchte ich mit einem Auszug aus dem Portwein Buch von Axel Probst beginnen? Nein! Ich klappe das Buch wieder zu. Fangen wir lieber lebhaft und unsortiert mit der Geschichte des Douro-Tals in Portugal an, wo schon vor mehr als 2.000 Jahren Wein angebaut wurde.

Tief schneidet sich der Fluss von der Küstenstadt Porto in das Land hinein. Ärmlich ist es dort, karg, bis vor wenigen Jahrzehnten gab es noch einen hohen Anteil von Analphabeten. Hier oben wachsen die Trauben an manchmal 80 – 100 Jahre alten Rebstöcken, die sich dem Dürreklima angepasst haben. „Autochtone“ Rebsorten nennt man sie, weil sie nur in dieser Region zu finden sind. Sie machen den Portwein aus. Seit 1756 ist das Gebiet des oberen Douros als Portwein-Herkunft bezeichnet. Seit 2001 gehört es zum World Heritage.

„Rotwein-Trauben müssen leiden.“

Klein sind die Parzellen, steil die Hänge mit bis zu 80% Gefälle. Mehrfach muss gepflückt werden und das in kürzester Zeit, denn der Abstand zwischen „fantastischem“ Reifegrad und „überreif“ beträgt manchmal nur fünf bis sechs Tage.

Die Erntearbeit beginnt früh um 6:00 Uhr, unterbrochen von Pausen, wenn es draußen bei über 40°C zu heiß ist. Abends werden die entstengelten Trauben in riesigen Granitbecken mit den Füßen gepresst. Im Takt des Vorstehers stampfen die Männer untergehakt zwei Stunden im Kreis, anschließend noch zwei weitere im „Freestyle“. Für uns Großstadt-Genießer*innen eine romantische Vorstellung. Johannes hat zwei Stunden durchgehalten, als er dort zu Besuch war, so anstrengend ist es.

Der Wein wird mit Schiffen nach Porto gebracht, um dort in alte Holzfässer umgefüllt zu werden. Das Holz dafür kam aus England. Die beiden Seemächte pflegten schon seit dem 14. Jahrhundert enge diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen. Es erklärt die große Portwein Tradition Großbritanniens.

Die frühen Portweinhäuser Warre’s, Cockburn, Graham und Dow’s Port sind alle in Porto angesiedelt. Damit ist der Portwein der einzige Wein, der an zwei unterschiedlichen Orten geerntet und hergestellt wird.

Nun sind wir endlich bei den berühmten „Rubies“ und „Tawnies“ angelangt. Was  folgt, gleicht einem eifrigen Vokabellernen unterstützt mit 20%igem „Demonstrationsmaterial“. Ich hoffe, dass ich die Begriffsmathematik richtig wiedergebe.

Der Anfang ist leicht: Der Portwein lagert in riesigen Holzfässern. Erst nach zwei Jahren trennen sich seine Wege, ein Teil wird in Flaschen abgefüllt. Von nun an ist es der „Ruby“ mit einer tiefroten-violetten Farbe. Der andere Teil bleibt im Fass, man nennt in „Tawny“. Seine Farbe ist heller, ein wenig braun-orange, bernsteinfarben. Auch der Geschmack unterscheidet sich deutlich voneinander: fruchtig, beerig der Ruby, süßlich, zart-erdig der Tawny.


„A great sweet wine starts sweet, but finishes not sweet.“

Bis hierhin war es leicht, nun verwirrt es sich (hat man schon zu viel Portwein intus) oder verästelt sich, wenn man weiter konzentriert zuhört. Handelt es sich um eine exzellente Lese, wird ein Teil der Ruby Flaschen eingelagert für die nächsten zehn, zwanzig bis hin zu vierzig Jahren, damit sie in Ruhe zum Vintage-Portwein reifen. „After 19 years you can tell the men from the boys“, heißt es. Ein einzigartiger Geschmack entsteht, der zu den besten der Welt zählt.

Entwickelt sich der Tawny (in den Fässern) ebenfalls hervorragend, so kann man noch bis zu sechs Jahre einen „Late Bottled Vintage Port“ (LBV) abfüllen. Auch hier erwartet die Genießer*innen ein außergewöhnliches Trinkerlebnis. Spätestens seit diesem Dienstag können wir beredt darüber sprechen.

Und dann gibt es noch die „Colheitas“ („Kollyäihtas“), das sind Sonderabfüllungen aus der Fasslagerung (Tawny) nach mindestens sieben Jahren. Sie müssen jahrgangsrein sein und bestechen durch ihre eleganten, feinen Aromen. Auf jeden Fall sehe ich Johannes, wie er mit seinen Armen und Händen weich schwingend durch die Luft fährt.

Portweine sind Cuvées, das heißt, sie sind aus mindestens drei verschiedenen Trauben entstanden. Früher gab es über ihre Mischungen keine Aufzeichnungen, weil die Menschen in Douro-Tal nicht schreiben konnten. Es waren Erfahrung, Zufall und Hingabe, die den Portwein entstehen ließen. Teilweise gab es in den Rebreihen schon unterschiedlichen Weinstöcke, so dass der Cuvée gleich mit der Ernte entstand.

Bis wir dieses Vokabular kapierten, hatten wir schon ein paar Gläser Ruby und Tawny getrunken. Johannes, Kerzen und Salon-Atmosphäre entführten uns unmerklich aus dem Alltag hinaus in eine Welt von entschleunigtem Genuss, von Geschichte und Tradition.

Mehrere hatten für diesen Abend abgesagt, weil sie Portwein langweilig und altmodisch finden. Ganz und gar nicht! Johannes findet ihn „sexy“, ich finde ihn sinnlich … Und ihr anderen? Es geht im Lachen unter, aber jeder denkt, es könnte eine neue Leidenschaft werden, die sich gerne wiederholen darf. 

„The first duty of a Port is to be red and the second is to be drunk.“

(Ernest Cockburn, Anfang des 20. Jahrhunderts)

Vielen Dank Johannes King für dieses wunderbare Portwein Erlebnis. Dank auch in die Runde für das herzliche Miteinander. PS: Heute morgen erreichte mich eine SMS vom Sternekoch: „… hab saber noch ne falsche Braille dabei…“ zu hochdeutsch: jemand hat ausversehen meine Brille vertauscht. Bitte melden!