Ein wenig grübele ich, welche Überschrift wohl am besten den gestrigen Abend beschreiben kann. Zu Gast ist Stefanie Busold, die Geschäftsführerin von Sotheby’s Hamburg. Lebhaft habe ich unsere erste Begegnung in Erinnerung, als sie mich und eine ausgewählte Gruppe vor Jahren durch die Mark Rothko Ausstellung in der Hamburger Kunsthalle führte. Über den Kopfhörer lauschten wir der Musik von Mozart und standen vor einem der großformatigen Bilder des US-Künstlers. Acht Minuten lang, dann erst kamen ihre Erläuterungen. Das Sehen und emotionale Verstehen wurde zu einem unvergesslichen Erlebnis.

Das Damals beschreibt auch diesen It’s a Dienstag. Von Anfang an führte der Dialog schnell aus den Zahlen und Superlativen in die Passion für die Kunst und die Künste. Wie anders dagegen die mediale Präsenz der großen Auktionshäuser: das teuerste Bild, die teuerste Tasche, das teuerste Auto, bis hin zu Skurilitäten wie das Dinosaurier Skelett, das für 6,1 Millionen Euro unter den Hammer kam. Umsatzzahlen in Millardenhöhe, die oft an das Zocken an den Börsen erinnern, wie eine Zuhörerin einwirft. Im Schnellgang werden wir mit den Infos versorgt.

18 Jahre lang arbeitete Stefanie Busold für Villa Griesebach in Berlin, seit zwei Jahren für Sotheby’s in Hamburg. Sie versteht es, sensibel mit den Ebenen zu jonglieren, betreut Sammler und Sammlungen, fungiert als Bieterin bei den Auktionen. Die Kunst hat sie sich in ihrer Größe und in ihrer Unversehrtheit bewahrt. Und so nimmt es nicht Wunder, der wir zunächst bei Mark Rothko bleiben. Paris 2023/24 Retrospektive in der Sammlung Louis Vuitton.

Sie beschreibt seine schwarzen Bilder, 1969 entstanden. Wer denkt da nicht an die Landung auf dem Mond. Sie und ich schauen uns an, lachen. Gleich alt erinnern wir uns an die flackernden Bilder aus dem Fernseher.

Aber, wie die gelernte Vergolderin ohne kunsthistorisches Studium diese schmale vibrirende Linie in Rothkos Malerei zwischen dem Dunkel und dem hellen Rand beschreibt, ist so berührend, dass wir alle den Atem anhalten.

Ich habe es ähnlich gesehen im vergangenen November in Paris. Ihre Schilderung machte es noch einmal gegenwärtig und führte zu der Gänsehaut wie im Angesicht der Werke. Wenn wir Kunst in dieser Dimension begreifen, dann wird das Handeln mit ihr geadelt.

Stefanie Busold kann fesselnd, bilderreich und szenisch erzählen: Der Besuch beispielsweise bei einem Sammler, der schweifend neugierige Blick durch die Zimmer. Das angekündigte Gemälde ist vielleicht uninteressant, aber die Keramik auf dem Schrank, die besitzt eine magische Anziehungskraft …

Wer sehen gelernt hat, erkennt das Außergewöhnliche. Der hinzugezogene Experte glitt mit seinem Daumen über die Oberfläche. Die Glasur wäre zu heiß gebrannt für das 11. Jahrhundert, antwortet er dem Besitzer, wohl doch eher das 13. Ist das nicht faszinierend, so eine Expertise?! Die Objekte aus dem Mittelalter wurden ein Highlight auf einer der nächsten Auktionen.

Ein Auktionshaus von der Größe und Tradition Sotheby’s führt eine Vielzahl von Fachabteilungen (54 mittlerweile) mit Teams, die sich detailliert in der jeweiligen Sparte auskennen. Es vermischen sich Leidenschaft, Detektivarbeit, Kalkül und der Nervenkitzel des Bieter-Handels.

Kunstwerke, Design, Artefakte mit Historie wechseln die Besitzer und hinterlassen eine Abfolge von Provenienzen, die keineswegs ihren Wert schmälern, sondern im Gegenteil, oftmals ihre Begehrlichkeit steigern.

So läuft das Geschäft, funktioniert der Markt. Was hinter all den Geschichten immer wieder hervorlugt, ist jedoch der berühmte Augenblick im Angesicht der Kunst, wie ihn Stefanie Busold zum Ende unseres Gespräches beschreibt. Ein bedeutender Hamburger Sammlers, schwer krank, wollte noch einmal die Ausstellung von Caspar David Friedrich sehen, bevor er stirbt. Die Kunsthalle Hamburg öffnete für ihn allein am letzten Montag der Schau. Stefanie Busold war an seiner Seite und führte ihn hindurch, Werk für Werk. Und lange standen sie vor dem Mönch am Meer.

Es geht um Schönheit, die wahrzunehmen, als hätten wir uns die Lider beschnitten, wie es Heinrich von Kleist sagte, damit man nie mehr die Augen (ver-)schließen könne. Bei aller Euphorie über Auktions-Millionen, bleibt am Ende doch das, was „money can’t buy“.

Einen Moment lang ist es still im Raum, und ich belasse es dabei. Stefanie Busold hat uns den Türspalt geöffnet in ein hochprofessionialisiertes globales Business und gleichzeitig in die immatierelle Wertewelt von Kunst. Danke dafür. Es war wieder einmal ein Ausnahme-Abend in unserer kleinen erlesenen Salon-Gruppe.

Am Mittwoch, den 31. Juli 2024, von 17:30 bis ca. 20.30 Uhr wird Stefanie Busold mit Sotheby’s bei uns im Kapitänshaus in Kampen zu Besuch sein. Dazu gesellt sich Johannes King mit seinem Austernfahrrad. Mind the date!