Die Poolstrasse 30 ist an diesem Dienstag gut gefüllt. Alle sind neugierig auf Meybol und ihre Schokolade aus Peru. Zuerst soll es den Talk geben, dann das Tasting der Award Winning Cacao-Tafeln. Alles ist aufgebaut, die schönen Hüllen mit den glänzenden Preisträger-Aufklebern: German – European – World. Bronze, Silber, Gold.

Schokolade ist so ein breitgefächertes Thema. Wie beginnen? Spontan kommt mir die Geschichte von dem Freund meines Mannes in den Kopf, Pal Zegetti. Als Junge floh er 1956 aus Ungarn. Sein Freund wurde auf der Flucht erschossen. Pal kam in ein Auffanglager in Österreich, wo Busse die Flüchtlinge abholten, um sie in die verschiedenen Länder zu bringen. Als einer anhielt mit der Aufschrift „Schweiz“, dachte der Zehnjährige an Schokolade und stieg ein …

Kurzes Schweigen in der Runde. Ich drehe mich zu Meybol, wir kennen uns kaum, und frage sie einer Intuition folgend:

„Hat Schokolade für Dich etwas mit Schicksal zu tun?“

Sie schaut mich an und erzählt eine Geschichte, die sie noch nie zuvor öffentlich erzählt hat: Ihre Tochter konnte als Kleinkind plötzlich nicht mehr laufen. Ärzte stellten fest, dass ihr zwei Bandscheiben fehlten. Meybol versprach Gott, etwas Gutes für die Menschheit zu tun, wenn die Tochter wieder gesund werden würde. Nach einer komplizierten Operation waren die ersten Worte der Kleinen: Sie wünsche sich Schokolade.

Ich glaube, jeder hatte in diesem Moment ein wenig Gänsehaut. Es ist der Anfang einer Geschichte über das Abenteurer eines Unternehmens, über Nachhaltigkeit und Wertschätzung, über den Mut, sich von einer Vision leiten zu lassen und dafür Freunde zu finden: Meybol Cacao. Für mich könnte so die Zukunft aussehen. Wir müssen von groß zu klein denken lernen.

Die gebürtige Peruanerin reiste in ihr Land und begann bei Null. Sie hatte keine Ahnung von der Herstellung von Schokolade. Also belas sie sich und ließ sich helfen, sprach mit den Bauern in den verschiedenen Regionen, lernte von ihnen, genauso wie von den Fachleuten und Ingenieuren. Wie werden die Plantagen angelegt, wie alte Bäume beschnitten und gepflegt? Warum ist Biodiversität so wichtig? Wie entstehen Geschmacksvarianten ohne Zusätze?

Dafür muss man nichts neu erfinden, nur alte Fertigkeiten wieder aufdecken. Sie überredete die Dorfbewohner ihren Traditionen treu zu bleiben. „Wir lernten voneinander und sie beschützen mich“, erzählt sie und lacht dabei, diese schöne mutige Frau mit der intensiven Ausstrahlung.

Als sie auf einer ihrer ersten Reisen auf dem Flughafen neben einem Piloten saß und ihm von ihrem Projekt erzählte, fragte er sie: „Wie kann ich helfen?“ – „Ich brauche Geld“, war ihre Antwort. Zwei Tage später rief er sie an und sagte nur: „Wohin darf ich € 50.000 überweisen.“

„Vom Baum zur Schokoladentafel“, so ihr nachhaltiges Motto. Die Prozesse werden meist noch von Hand gemacht, die Produktion überwiegend in Peru belassen, um so eine echte Wertschöpfung zu gewährleisten. Meybol zahlte weit über Mindestlohn und startete parallel Hilfsprojekte für die armen und von Partisanenkämpfen und Drogenkartellen gebeutelten Regionen. Der Erfolg ließ nicht lange auf sich warten, ihre erste Schokolade gewann direkt nach dem Start 2017 die internationale Bronzemedaille.

Mir schenkte sie vor ein paar Wochen die „Dunkelschokolade“ (nicht „Bitterschokolade) 68% aus der Region Vraem in Peru. Ich probierte ein Stück, mehr braucht man nicht. Es war schon spät in der Nacht, ich lag erschöpft oben im Bett in meinem Tempel. Unvermittelt öffnete sich mir eine Welt voller Aromen und verzauberter Ferne, und ich spürte so etwas wie Glücklichsein.

Unser Talk ist zu Ende. Jeder ist neugierig auf das Tasting. Wir gruppieren uns um Meybol herum, riechen zuerst an der Schokolade, dann lauschen wir dem Knacken, wie Schokolade bricht, und lassen das hochprozentige Cacao anschließend auf dem Gaumen zergehen.

Eine Tafel schmeckt nach Zitrus, weil in der Nähe Zitronenbäume wachsen. Eine andere hat den rauhen Schmelz von Ursprünglichkeit. Alle besitzen ihren eigenen Charakter, eine Komplexität, die einen träumen lässt, auf eine Reise schickt, an die Versprechen erinnert, die wir uns in diesem Leben gegeben haben oder geben sollten: in Einklang mit der Natur leben, Nehmen und Geben in der Waage halten, einen Beitrag leisten, etwas Gutes tun, so wie es Meybol vor wenigen Jahren geschworen hat.

Ihre Tochter ist jetzt zehn Jahre alt und tanzt Ballett. Und Meybol ist regelmäßig unterwegs nach Peru, bleibt dort oft wochenlang. Sie ist ihren eigenen Weg gegangen, hat nicht auf die großen Mitstreiter in Frankreich und Deutschland oder Belgien gehört, die ihrem Unternehmen ein frühzeitiges Scheitern prophezeiten.

Dieses Jahr wird es wieder internationales Gold geben für Meybol Cacao. Und wir vereinbaren, dass wir zukünftig ihre Schokolade in Hamburg und auf Sylt exklusiv verkaufen werden.

Wer in diesen Tagen Roma e Toska online bestellt oder kauft, wird eine Meybol Cacao als Geschenk erhalten. Ich wähle dafür die 68%ige aus der Nacht im Tempel (Gold 2021-22), und Carmen die 72%ige aus der Region Piura (Gold 2019).