Was haben wir mit einem Volk zu tun, das vor mehr als tausend Jahren lebte? Sie besiedelten und regierten zwischen dem 8. – 12. Jahrhundert große Teile des heutigen Mexikos. Wenig weiß man über sie, nur dass sie zu den Hochkulturen zählten und wohl friedlich miteinander auskamen. Schriftliche Zeugnisse gibt es nicht, aber mündliche Überlieferungen, die wie all solche Relikte in das Reich der Mythen und der Fantasie verweisen. Meine Tochter Roma (29), unser gestriger Talkgast, hat sich mit ihnen beschäftigt.
Ausgangspunkt ist das Buch „Die vier Versprechen“ („The four agreements“) von Don Miguel Ruiz, 1997 in den USA erschienen und seitdem kontinuierlich auf der New York Times Bestseller-Liste. Der Autor hatte sich nach einer Nahtod-Erfahrung seiner eigenen Wurzeln besonnen, die Arbeit als Chirurg aufgegeben, um sich von seinem Großvater, einem Schamanen, in die Welt der Geister und Vorfahren leiten zu lassen.
Die Tolteken waren animistischen Glaubens, d.h. alles besitzt eine Seele. Ich habe darüber im Zusammenhang mit meiner Kollekton Childhood schon mehrfach gesprochen. Die Flüsse, die Blume, die Pfanzen und Tiere sind ähnlich beseelt wie die Menschen. Eine wichtige Voraussetzungen für das damalige Miteinander, das wir heute mit anthropologischem Interesse neu studieren.
„Du bist ein anderes Ich“, heißt es bei Ruiz, das Gegenüber, die Mitmenschen. Alles ist miteinander in einer riesigen Seele verbunden, auch eine wichtige Toltekische Prämisse für die Gemeinschaft, egal wie groß sie sich definiert. Wir kennen es aus dem christlichen Glaube, wie in der Runde eingeworfen wird: Du sollst den anderen lieben wie dich selbst.
Aber die Beschäftigung mit dem exotisch Indigenen scheint aktuell attraktiver als die Religionskunde. Hatten wir doch schon im letzten Dienstag Salon. Besseres Marketing?
Roma gibt immer wieder Verweise auf unsere westliche Philosophie: Epikur, John Locke, Kant, Wittgenstein. Ein „Cocktail“, wie ich es nenne, durch die Jahrhunderte, der eines deutlich macht: Es gibt ein uns ureigen Menschliches, das nach Kommunikation drängt und daran immer wieder scheitert.
Dafür die vier Regeln, wie sie die Tolteken angewendet haben, und wie sie sich auf der ganze Welt in unterschiedlichen Formulierungen wiederfinden:
1. Sei tadellos mit Deinen Worten, Gedanken und Gesten.
Sende keine vergiften Botschaften, schüre keinen Hass, sei ehrlich und nicht diffamierend. Wenn das nur so leicht wäre. Wir sind umgeben von Demagogen, Hetzern und Autokraten, einer von ihnen will gerade der 60. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika werden. Was im Großen nicht geling, klappt meist auch bei uns nicht so gut. Ich muss mich ausschütten vor Lachen, bin keineswegs gefeit vor spontanen Wutattacken.
2. Nimm nichts persönlich.
Die ewige beleidigte Leberwurst, wer kennt sie nicht (auch in sich selbst). Wir diskutieren heftig darüber, denn wie unterscheide ich, was das Problem das anderen ist oder vielleicht das meine. Etwas „persönlich“ nehmen, heißt doch auch, es zur eigenen Sache zu machen, es zu bearbeiten, zu verändern. Wir stecken in einem komplizierten Geflecht von Akteuren um uns herum. Und sollten lernen, aus der Opferrolle herauszutreten.
3. Zieh keine voreiligen Schlüsse.
Wir sind eine Beurteilungsgesellschaft. Jeder wird und jeder fühlt sich in eine Schublade gesteckt, kategorisiert und in Kausalitäten verfangen. Wir interpretieren unser Gegenüber, manupulieren mit unseren Wünschen und Ängsten. Danke Wittgenstein: Alles, was wir denken können, können wir auch klar sagen. Es hilft das offene Wort, die schnelle Klärung (erinnere mich an unseren Dienstag Salon mit Carsten Maltzan, KrisenPR) und das Fragen nach den Gründen hinter den Gründen.
4. Gib stets Dein Bestes.
So habe ich meine Töchter erzogen, egal was sie tun, wer sie sind. Das Beste anstreben, impliziert auch das Scheitern, Wiederaufstehen und neu Beginnen. Eine Selbstoptimierung von Versprechen 1 – 3. Jedoch, was hier so leicht und eingängig klingt, erfordert viel von uns.
Unser Abend gestern klingt aus mit angeregten Diskussionen und persönlichen Geschichten. Wir können ja heute mal das Experiment starten: Ein Tag mit der Philosophie der Tolteken leben. Schickt mir Euren Erfahrungsbericht. Meinen hört Ihr morgen.
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Ihr Lieben,
vielen Dank für eure herzliche und hilfreiche Unterstützung gestern Abend. Manchmal landet man glücklicherweise in genau der richtigen Situation. Romas Thema, eure Zeit und Ideen, das Buch – alles war perfekt für den Moment!
Wir haben heute im Team schon über die vier Versprechen diskutiert und insbesondere die Gespräche der vergangenen Wochen reflektiert. Mal schauen, wie es weitergeht und ob wir es schaffen, nachhaltig gewaltfreier zu kommunizierten. Es wäre eine Freude!
Eure Soirées und die daraus resultierenden Anregungen sind einfach fantastisch!