Das Buch von Annett Schaper „Von der kreativen Idee zur Innovation“ liegt neben mir. Ich stöbere darin und lasse dabei den gestrigen Abend Revue passieren, sortiere in Gedanken, die sprudelnden Erzählungen unseres IT’S A DIENSTAG Talkgastes. Was ist Kreativität? Für Sie, für mich, für die anderen um uns herum und für all die, die diesen Beitrag lesen?

Das prickende Gefühl von Brause im Bauch, das langsam in einem hockrabbelt, antwortet Annett auf meine Frage, dabei lacht sie, fährt sich mit der Hand an den Hals, legt sie wieder in den Schoß und reiht mit ihrer warmen energiegeladenen Stimme die nächsten Begebenheiten aneinander.

Die Meta-Ebene gerät kurz in den Hintergrund zugunsten all der flimmernden Erfahrungen der studierten Grafik- und Verpackungsdesignerin, die ihre Kunden rund um die Welt betreute. New York, der Traum. Wie entwickelt man ein Produktdesign, das global funktioniert, in Indien genauso wie in der Schweiz, in Amerika in Japan? Unsere Unterhaltung springt vor und zurück in ihren Lebensjahrzehnten.

Es würde den Rahmen sprengen, all diese Stationen aufzulisten, Reflexionen und Handlungen wechseln sich ab. Was den Berichten jedoch innewohnt ist eine sprühende Kreativität, eine rastlose Neugierde sowie der Wille und der Mut, das Erdachte und Entwickelte zu realisieren. Damit haben wir im Plauderton schon eine Menge zusammengetragen, was zur Kreativität gehört, selbst wenn es sich nicht trennscharf voneinander absetzt.

Man entdeckt keine neuen Erdteile, ohne den Mut zu haben, alte Küsten aus den Augen zu verlieren.

André Gide

Wir Menschen sind kreativer als wir denken. Ja, Annett versteigt sich sogar zu der Annahme, dass alle kreativ sind, es nur nicht zeigen, sich nicht zeigen wollen. Ein Thema, das auch meine Mode umkreist: sich sichtbar machen. Das Chaos zulassen, um es dann wieder zu ordnen, so etwas kostet Kraft, und allzu oft schwimmt man dabei gegen den Strom. Ich weiß, wovon sie spricht. Es braucht Weggenossen, Verbündete, Gleichgesonnene.

Gibt es den „Code of Creativity“, wie ihr erfolgreicher Podcast heißt, mittlerweile in über 70 Ländern ausgestrahlt. Eher nicht, wie sie ihre Behauptung selbst in Zweifel stellt (auch das gehört zur Kreativität: ständig zweifeln). Es geht vielmehr um den „Flow“, diese Entspannung, die man braucht, um geistige Prozesse in Gang zu setzen. Den findet jeder woanders, sie lief durch die Agenturräume und atmete ein wenig die Nähe der Kollegen ein. Ich gehe dafür am Strand entlang und springe ins eiskalte Wasser. Was wir auch tun, wir müssen das Reset suchen, den Nullpunkt, um wieder neu zu starten und ganz bei uns zu sein.

Ich muss gar nicht hinschauen, ich weiß, dass sie wieder ihre Hand an den Hals führt, um diese Brause, die hochkrabbelt, zu vergegenwärtigen. Wir sollten das Kind in uns lebendig halten, die endlose Neugierde und die Unbefangenheit des Denkens.

All das klingt einfacher als es sich leben lässt in unserer Gesellschaft. Vielleicht wird es darum Zeit für eine Kollektion wie „Monsters of Childhood“, an der wir gerade arbeiten.

Unsere Welt wäre eine bessere mit mehr gelebter und ausgetauschter Kreativität, wenn wir uns selbst wagen und von den anderen dafür mit offenen Armen empfangen werden. – Sind das nun ihre Sätze oder meine, ich kann es nicht mehr unterscheiden. Wir sitzen Seite an Seite, zwei, die mit Pippi Langstrumpf großgeworden sind und täglich versuchen, ein Stück den eigenen Visionen näher zu kommen: Ich mach mir die Welt, wie sie mir gefällt. Danke Dir Annett für diesen Abend!

PS: Das World Economic Forum verleiht der Kreativit den Platz fünf unter den „Top 15 Skills for 2025“, noch vor „Leadership“, „Resilience“ (systemische Widerstandsfähigkeit), „Emotional Intelligence“.

Annett Schaper,“Von der kreativen Idee zur Innovation“, Gabal Verlag, 2023 (Ein paar Expemplare haben wir für Euch vorrätig.)