Ursprünglich hieß es in der Einladung für den gestrigen IT’S A DIENSTAG: „der Kapitalist und die Grüne“, aber es wird Zeit, dass wir aus der Lagerbildung rauskommen. Wir brauchen sie schließlich alle im Boot, wenn es um ein verantwortungsvolles Miteinander in unserer Gesellschaft geht. Behutsam taste ich mich in die Dienstag Rückschau, muss mich erst ein wenig sortieren, was alles so abging in der lebhaften Runde. Der Tag hatte es schon in sich, Merz mit holprigem Start zum Bundeskanzler. Eine eilige WhatsApp: „Auswandern oder findet der Talk heute Abend statt?“ – Er fand.

Mein Gast ist Dr. Armin Müller, Chef UBS Bank Nord mit Schwerpunkt Wealth Management. Ein Sympath, der sich aufs Schlimmste eingestellt hat, was ich alles an Kapital-Schelte vorbringen könnte. Er wähnt den Gini-Koeffizient, der Messfaktor für die Einkommensungleichheit. In Deutschland lag er 2024 bei 0,295, also im unteren Viertel, was zunächst mal gut ist. (Auf der Skala 0 – 1 bedeutet Null = alle sind zufrieden, tendiert er gegen Eins, sammelt sich das Einkommen in den Händen weniger.) Es geht also positiv los, aber Einkommen und Vermögen ist nicht das Gleiche, wohlgemerkt.

Er wäre gern Bänker, sieht sich als Vermittler zwischen Family Offices, Unternehmensfusionen, Investmentmöglichkeiten, möchte per se dazu beitragen, dass die, die etwas besitzen, zukünftig noch mehr besitzen. Klar, das ist sein Job, seine Profession, gegen die grundsätzlich nichts einzuwenden ist. Wer erinnert sich nicht an das Beispiel mit dem Straßenkehrer, der der beste Straßenkehrer sein möchte.

Das Portfolio der UBS Bank beginnt bei Personen, die über mehrere Millionen verfügen. Die Beratung ist individuell mit Fingerspitzen-Risiko in Zeiten der Unsicherheit. Das Stichwort „Gutes tun“ fällt. Ich glaub’s ihm, nur müssten wir spezifizieren, was damit gemeint ist. Die Reichen reicher machen ist heftig in der Diskussion, das Image der Berufssparte steht nicht unbedingt für Gemeinwohl-Denken.

Schnell geht es hin-und-her, nicht immer amüsant, durchaus aggressiv im Unterton. Erwähnt werden Stiftungen, Charities, Spenden. Was wären wir ohne die Reichen? Ich beschwichtige, warten wir ab. Jeder fühlt unbewusst, wie sich ein schleichender Wandel vollzieht. Vielleicht schwappen gerade deswegen die Emotionen hoch. Alex erinnert sich an ihren Großvater, der immer sagte: „Es ist genug, wenn es reicht.“

Herausfordernd blickte Armin immer wieder zu mir rüber: Wann wird sie ihre Geschütze auffahren? Wann wird sie fragen: Ab wann macht Geld und Besitz nicht mehr glücklich? – Dazu gibt es zahlreiche Studien durchaus mit Variablen, wo ist die Obergrenze von Reichtum, ab der man einen „Deckel“ draufsetzen sollte mit dem großen Schild: Stopp, abgeben in den Kreislauf. – Prost, wir System-Kritiker*innen legen nach.

Geschickt federt mein Talkgast die Provokation ab, indem er nickend bestätigt: Ja, es ist so: Geld macht ab einem gewissen Level nicht mehr glücklich. In dieser Hinsicht ist er gewabnet.

Einige der Gäste sind jedoch irritiert. Sie ahnen leidiges Ungemach: Vermögenssteuer, staatliches Regulieren. Es ist doch alles durch harte Arbeit erwirtschaftet und schon mit Steuern gezahlt. (Dabei ist mittlerweile ein Großteil des Vermögens in Deutschland vererbt.) Die überwiegende Meinung bleibt, wer das Geld besitzt, soll auch entscheiden dürfen, was damit gemacht wird, und nicht der Staat.

Armin kennt die wertkonservative Haltung der Deutschen. Sie bestimmt sein Geschäftsmodell. Aber was ist, wenn es aus dem Ruder läuft? Keiner hat etwas gegen die reiche Mittelschicht, aber wo beginnt der Überfluss (und Überdruss), der sich negativ auf Klima, Gesellschaft und Politik auswirkt? Wir reden von den Superreichen, den besagten 1%, die beispielsweise in den USA 32% des Gesamtvermögens besitzen, Tendenz rasant steigend.

Es müsse global reguliert werden, so Armin. Richtig, aber das darf kein Argument sein, es weit von uns zu schieben. Wir sind global in unserem Handeln und seinen Auswirkungen auf Ressourcen inkl. der Ressource Mensch.

Gerne möchte ich die Diskussion zu einem neuen Bild des Bankiers lenken, der sich und sein Team breiter aufstellt, eventuell mit einem dazugehörigen Think Tank von Philosophen und Nachhaltigkeits-Experten? Wenn es das schon gibt, umso besser, dann machen wir es größer und publik.

Es würde mich beruhigen und mit mir viele andere, wenn sich zu dem Zweck der Vermögensoptimierung im großen Stil ein ethisches Korrektiv gesellt. Dann würde sich auch Dr. Armin Müllers Wunsch erfüllen: ein positiveres Verständnis für die Aufgaben des Bänkers.

„Was für ein Abend gestern“, schrieb mir eine Freundin heute Morgen, „… bin noch ganz aufgeregt in der wunderschönen Abenddämmerung nach Hause.“ Am Ende raunte mir Armin noch zum Abschied zu, dass er gern öfter eingeladen werden möchte. Gerne, dann bilden wir unsere gemeinsamen Netzwerke: der Kapitalist und die Grüne. Läuft!