Vor kurzem schickte mir eine gute Kundin Fotos von Bildern, die die Kinder in ihrer Schule gemalt hatten. Dazu schrieb sie: „Wir träumen uns als Klasse gemeinsam in so manche Fantasiewelten.“ Ein kleiner Junge nannte sein Bild: „Die Welt hinter der Welt“. Ich nehme es als Inspiration für diesen Beitrag. Zwar male ich nicht mehr wie ein Kind, aber ich trage den Regenbogen in mir, sehe in den Wolken Fabelwesen, glaube an Feenwiesen und gebe den Farben verwunschene Namen …

So gelingt es mir manchmal, die Tristesse und die Bedrohung unseres Lebens abzuschütteln, genau wie der Lehrerin. – Es ist gestern am frühen Abend hier auf der Insel. Ich fühle mich müde und lustlos, der Tag verlief ereignislos und die aktuellen Nachrichten reichen, ob wir wollen oder nicht, weit in unser Bewusstsein hinein.

Ich gebe mir einen Ruck, schlüpfe in den neuen roten Rock, dazu die grüne Wolljacke, ein dicker Cashmereschal, Stiefel, Ministativ. Kein Plan, wer weiß, was kommt. Die Sonne geht langsam unter, und ich wirke in der Landschaft wie eine Mischung aus Rotkäppchen und Rumpelstilzchen. In letzter Minute habe ich noch die neuen Ketten von Yves Saint Laurent gegriffen. Sie helfen mir, den Weg in das Märchen leichter zu finden.

Mein Blick ist geschärft, ein Baum ist nicht mehr nur ein Baum, sondern er ist das knorrige Wesen meiner Kindheit, mit den Blättern, die sich krampfhaft vor dem Herbstwind festhalten, und der Rinde, die wie abstrakte Malerei aussieht.

Yves Saint Laurent Vintage Kette, oliv-beige-braun, signiert. € 1.200

Vorsichtig drappiere ich die erste Kette zwischen die morschen Zweige. Ich bin ganz still, bedächtig und delikat mit meinen Fingern, will nichts abknicken, nichts beschädigen. Ich prüfe das Gewicht der Kugeln, beobachte, wie sich die Beeren in die Zwischenräume legen, so als wollten sie das Fremde umarmen …

Die beiden Hunde warten geduldig, trollen ein wenig hin und her. Das Wort „Eile“ hat sich genauso verflüchtigt wie Vokabeln für Kommandos von „sitz, halt, warte, go!“ … Wir sind in einer Welt hinter der Welt angekommen.

Yves Saint Laurent Vintage Kette, Glasperlen mit Perlutt überzogen, vergoldetes Ornament, signiert, € 1.600

Es könnte hier in diesem Gestrüpp ein Einhorn leben oder eine gute Hexe, eine Fee. Lautlos ziehe ich die nächste Kette aus meiner Tasche, die andere hängt schon um meinem Hals. Psst! Selbst die Vögel halten den Atem an, ich höre nichts, beuge mich vor, um das Schmuckstück auf den moosbewachsenen Ast zu legen. Wieder darf nichts die Unversehrheit der Büsche zerstören. (Muss an Gehard Richters Buch „Wald“ denken.)

Die Perlen liegen da, als hätte eine Prinzessin sie abgestreift, um ein Bad zu nehmen, und hat sie dort vergessen. Ob die Frauen auf Manets Gemälde „Le Déjeuner sur l’Herbe“ auch Schmuck trugen? Ich versuche mir die Szenerie aus meiner Erinnerung zu gegenwärtigen.

Wie weit ich mich doch schon aus meinem wenige Minuten alten Jetzt entfernt habe. Das Abendlicht verblasst mehr und mehr. Ich suche noch ein Rot, ohne das meine Fabelwelt nicht komplett wäre.

Yves Saint Laurent Vintage Kette, Glassteine, teilweise mit Sterne ziseliert, signiert und numeriert (46), € 2.200

Es ist nicht das Kriegsrot, das Kanonengetöne ist weit weg, heraus aus meinen Gedanken. Nein, es ist das Rot der Rubine, der Früchte und Beeren des Waldes in der anderen Welt, in der es keinen Hunger gibt, keine Not, in der Rot gleich Leben ist, in der man die Bijoux Fantasie trägt ohne Neid und Mißgunst …

Mein Rot fängt die letzten Sonnenstrahlen ein und bewahrt sie über die Nacht, um den nächsten Tag mit einem Lächeln zu begrüßen. Ich liebe diese Farbe, sie ist warm und weich, aber auch ein wenig gefährlich, denn sie trägt das Verbotene in sich…

Sie kommt in der Natur als Verlockung vor und ist gleichzeitig Warnung: Achtung giftig. Das Rot ist die oberste Farbe auf dem Regenbogen. Sie flirtet mit dem Violett und mit dem Pink. Sie gehört in den Herbst mit seinen bunten Blättern.

Wieviel Zeit mittlerweile verstrichen ist? – Ich habe keine Ahnung. In der Welt hinter der Welt fragt man so etwas nicht. Nur ist etwas kühl geworden, und ich habe Mühe, das wenige Licht geschickt einzufangen. Auch ist meine Kleidung nicht ganz die richtige für meine ungeplante Geschichte.

Den Rock habe ich hochgeschoben und unter die Wolljacke gestopft, damit die Dornen, den Stoff nicht beschädigen. Es sieht mich ja keiner, ich bin allein hier draußen. Die Ärmel verfangen sich ab und an in den Ästchen. Trotzdem mache ich weiter, versuche geschmeidig zwischen die Gräser und Zweige zu gelangen, um für einen Moment mit der Landschaft zu verschmelzen.

Als ich dieses letzten Foto mache, ist es beinahe dunkel geworden. Einmal noch träumen, an die Mobiles von Alexander Calder denken und dann … sich zurück in die Realität schütteln. Die Poesie der letzten Stunde nehme ich mit, die Hunde links und rechts, das Wattenmeer, der Abendhimmel … Ich laufe schnell und energisch, mich fröstelt ein wenig.