Man könnte meine Beiträge mittlerweile auch „Reports von der Leiter“ nennen. Wieder stehe ich hoch oben in dem roten Office in der MILCHSTRASSE 11 und räume aus, packe. Der Raum ist so gut wie entleert, kaum etwas entsorgt, alles in Kartons verpackt. Das Buch von Clement Greenberg „Art and Culture“ fällt mir in die Hand. Greenberg (1909 – 1994) ist einer der großen Kunstkritiker, vielleicht der Einflussreichste in der langen turbulenten Zeit zwischen den 1930er bis 1970er Jahren.
Und da sitze ich auf der siebenten Stufe der Trittleiter und bin zurückversetzt in meine Zeit als Kunstgeschichts-Studentin an der Brown University in Providence Rhode Island/USA. Mit ein paar wenigen Kommilitonen und einem faszinierenden Professor, in den wir alle verliebt waren, beschäftigten wir uns mit dem Abstrakten Expressionismus der Vierziger Jahre, mit Künstlern wie Hans Hofmann, Willem de Kooning und natürlich mit Jackson Pollock. Greenberg war mit ihm eng befreundet.
„How New York stole the Idea of Modern Art“, die Kunstszene verlagerte sich von Paris an die Ostküste Amerikas. New York und das vorgelagerte Cape Cod wurden das neue Zentrum der Avantgarde, während Europa in Krieg und Nationalsozialismus versank. Was für ein Thema!
Damals war ich Anfang Zwanzig, besaß ein Stipendium und entdeckte mich gerade neu oder überhaupt. Unglaublich frech und neugierig führte ich meine Interviews mit den noch lebenden Künstlers, hielt inne am Grab von Jackson Pollack mit dem wunderschönen moosbewachsenen Naturgrabstein und dem kleinen Stein daneben mit der Aufschrift Lee Krasser, seiner Frau. Bewegend.
Wohin sich wohl heute die Zentren verlagern? Anna Wintour, Vogue USA, spricht nach wie vor von Amerika als der treibenden Kraft für die Fashion-Welt, mit New York als Drehscheibe und der West-Coast als eigenständigem Impulsgeber. Ist das so? Die Info-Dienste, die Business of Fashion News werden langsam müde in ihren Berichten, da keiner mehr wagt in die Glaskugel zu schauen, man übt sich in Wiederholungen von Zahlen und beschwört das Umdenken.
„Last year, the global fashion industry produced 114 billion pieces of clothing. Americans alone consume more than 20 billion garments per year, or 64 items per person every year. These are mostly cheap, disposable clothes, manufactured in enormous volumes, using a vast quantities of natural resources, often by workers toiling away in unconscionable conditions at a huge social and environment cost. As the world grapples with an unprecedented public health and economic crisis, exposing deep-rooted social inequality as a climate emergency looms, the fashion industry must learn to respect both people and the planet.“ (Business of Fashion, 18.5.2020)
Werfen wir einfach Ballast ab, ducken wir uns in diesen Zeiten und werden wieder kreativ und frei, was unser Leben anbelangt. So wie damals 1984/85, als ich dachte, ich könnte die Welt aus den Angeln heben und mein Professor mir immer wieder eintrichterte, dass alles möglich ist. Alles!
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