Es ist stürmisch am Meer, Wellen türmen sich auf und verhindern ein ausgiebiges Schwimmen. Die Haare zerzaust der Wind und die Seiten meines Buches blättern sich wie von Geisterhand von vorn nach hinten und zurück. Es passt zum Thema, denn es geht mal wieder um schwere Kost und das Kapitel 3 aus Bernard Williams „Wahrheit und Wahrhaftigkeit“, meiner Sommerlektüre, die ich ein wenig zerknickt, bekritzelt und versandet aus der Tasche ziehe.

Williams schreibt über Nietzsche (1844 – 1900), aber vor allem über die Hartnäckigkeit, mit der sich der Philosoph auf die Suche nach der Wahrheit begab, wie er sich mit Zweifeln und Irrtümern herumschlug und sich zu den „großen Selbst-Ungenügsamen“ zählte. Ein interessanter Begriff, ich mag ihn.

Zähle mich selbst dazu, was nicht heißt, dass ich nicht entspannt mit mir sein kann und das Leben genieße, aber es gibt etwas, dass mich treibt und das steht irgendwie in diesem Kapitel No. 3, und dazu ist Mut notwendig, sehr viel sogar, wie Nietzsche schreibt: „Wieviel Wahrheit erträgt, wieviel Wahrheit wagt ein Geist? das wurde für mich immer mehr der eigentliche Wertmesser.“

In diesem Zusammenhang taucht das wunderbare Wort „Klugheitsgründe“ auf und der bitterernst gemeinte Ratschlag, es mit dem Täuschen und Getäuschtwerden sein zu lassen. Allein schon aus Gründen der Nützlichkeit stellen wir die Dinge lieber richtig da.

Nun wird es wirklich spannend, denn wir landen mitten in unserer Zeit, wie wir beiden Spaziergängerinnen (Madame la Petite und ich) heute morgen feststellen: Es dreht sich alles um die Variablen und die Gleichzeitigkeiten, die wir üben müssen zu denken.

„Was ist also Wahrheit?“ Schreibt Nietzsche, postum veröffentlicht: „Ein bewegliches Heer von Metaphern, Metonymien, Anthropomorphismen – kurz: eine Summe von menschlichen Relationen … “

„Schön!“ habe ich an den Rand gekritzelt mit meinem kleinen Bleistift-Stummel, den ich immer bei mir trage. Was für eine aufregende Vorstellung, dass wir über den Rand unserer Begriffe auf die Welt blicken, um sie ganz neu zu sehen und so zu begreifen, als würden wir die Worte gerade erfinden („…als wäre sie von allen Beschreibungen unberührt.“ Seite 34)

Da könnte man doch echt Gänsehaut bekommen, bei diesen Formulierungen. Ich empfehle erneut das langsame Lesen dieser Lektüre, wieder und wieder bis die Blätter im Wind wegflattern. Nicht schlimm, haben wir begriffen und verinnerlicht: unser Denken ist unzulänglich und deswegen sind wir eben herrlich ungenügsam.