Es beginnt schon damit, dass ich mich nicht entscheiden kann, wie ich diesen Beitrag nenne, über den ich seit gestern grübele, ob ich ihn denn überhaupt schreiben soll. Am Strand treffe ich ein bekanntes Ehepaar und schildere kurz meine Gedanken. Sie sagen: „Lass es. Schreib über Gänseblümchen“. Mach ich auch, aber das andere erwähne ich trotzdem. So einfach dürfen wir es uns nicht machen. Vor ein paar Tagen besprühten Anhänger der Letzten Generation u.a. das Luxus-Geschäft von Michael Meyer am Strönwai in Kampen auf Sylt.

Selbst nach drei Tagen ist noch orangene Farbe überall. Es sieht aus wie auf einer Kunstaktion der Art Basel. Ist es aber nicht. Die Empörung ist allerortens zu hören und zu lesen. Ich schließe mich dem an, male mir aufgebracht aus, wie ich in Aktion schreite, wenn es vor unserer Haustür stattfinden sollte, das alte Kapitänshaus, der Luxusstrandkorb davor, eine Attacke auf meine (Luxus-)Idylle.

„Würden sie nicht“, sagt mein Mann beim Abendessen im Garten, „diesen Ort würden sie nicht beschmutzen“. Die Diskussion zwischen uns wird hitzig. Krzyztof gehört zur Generation der 68er, sah zu, wie sie in Paris die Fensterscheiben zerschmissen, hörte begeistert die Reden von Daniel Cohn-Bendit. Irgendwann brannten Kaufhäuser und schließlich starben Menschen. Es eskalierte täglich und schuf doch unsere moderne Republik. 55 Jahre ist es her.

Wir beide kommen nicht weiter, keiner hört mehr auf den anderen. Ich werde laut, spreche von einem fehlenden intellektuellen Diskurs, vermisse die friedliche Auseinandersetzung. Sehe überall nur den Schaden an Objekten, Menschen und vor allem an dem wichtigen Klima-Dialog. Mein Mann wiederholt mehrfach das Wort „Protest“. Ich solle über die Wut nachdenken und warum sie derart ausbricht. Will nicht denken, ich will kein Verständnis aufbringen.

Bockig verkrieche ich mich in meiner Gegenwelt mit Blumen auf der Fensterbank, den gesammelten Muscheln, den halbkaputten Dingen, die so wertvoll sind zu bewahren, den vielen schönen Dingen, die mich umgeben, nachhaltig, sorgfältig produziert. Mein Auge umkreist sie.

Mir fällt das soeben gelesene Interview zwischen Margot Kässmann und Marie-Agnes Strack-Zimmermann in BUNTE Quarterly ein. Ernst und kontrovers wurde es geführt. Immer wieder die Theologin: Wir dürfen es uns nicht so leicht machen. Was ist passiert? Was haben wir übersehen? – Ich beginne, mich zu belesen. Der Name der Klimaaktivisten wird mit einem Tweed von Barack Obama in Verbindung gebracht:

„We are the first generation to feel the effect of climate change and the last generation who can do something about it.“ (Barack Obama)

Anschließend schreibe ich einen Brief an Hannes in Berlin. Es gibt eine kleine Korrespondenz zwischen uns mit sehr viel Respekt füreinander. „Würdest Du so Deiner Sprachlosigkeit Ausdruck geben oder bist Du nicht sprachlos, sondern wartest nur auf Deinen Moment, politisch zu werden, um zu gestalten?“ – Ich wünschte, dieser kluge junge Mann wäre jetzt hier, und wir könnten diskutieren.

Alleine gehe ich spazieren, es ist der nächste Abend. Versunken schaue ich über die schöne Landschaft mit dem Schäfer und seinen Schafen. Wie bekommen wir den Protest fruchtbar eingebunden in unsere bürgerliche Mitte, damit wir alle gemeinsam an einer besseren Welt mitwirken können? Wie machen wir uns zu echten Zuhörern, die wirklich etwas verändern wollen, anstatt den Jüngeren den Mut zu nehmen, sich friedlich zu äußern?

Wenn wir aus dem Diskurs aussteigen, werden wir nur noch schneller unsere Erde zerstören.