Da ist ein Galerist, Thomas Holthoff, und da ist ein Künstlerin, Amelie Guth. Es gibt einen Titel für die Ausstellung: „I would prefer not to“ und es gibt elf Arbeiten an Wänden, die satt lila und flaschengrün grundiert sind. Eine museale Aufmachung, in die ich heute morgen als Dritte im Geflecht der Deutungen auftauche, unter dem Arm die Croissants, die selbstgemachte Brombeermarmelade und das Nichtwissen.
Amelie Gut hat in den achtziger Jahren mit dem Malen begonnen, sie wohnt in einem Haus in Hamburg, das mit ihr selbst mittendrin wie ein Gesamtkunstwerk erscheint …, so erzählt mir Thomas. Was aber, wenn ich all das nicht weiß, mir nicht vorstellen kann, es dazu keine fotografischen Dokumente gibt? Dann verflüchtigt sich das Gesagte, und es bleiben die Werke, eine Ausstellung und ein Titel. Die alte Geschichte.
Goyas Traum, 2013, 120 x 160 cm, Ölau Leinwand, € 7.800
„I would prefer not to“, das Zitat stammt aus Herman Melvilles „Bartleby, der Schreiber“, 1853 veröffentlicht, das erste Buch nach „Moby Dick“, dem Jahrhundertroman. Bartleby ist Angestellter in einem Anwaltsbüro in New York, täglich in Räumen von dunklen Mauern beherrscht, mit einer Sonne, die nicht hineinscheinen will. Irgendwann sagt er seinen berühmten Satz, der zu einer Dauerwiederholung wird: „I would prefer not to …“ (Ich möchte lieber nicht …)
Das Zitat als Titel der Schau legt sich wie eine Verweigerung über den Raum, bloß nicht mitspielen in dieser leistungsorientierten Hektik des Lebens. Oder was soll es sonst heißen? – Amelie Guth ist nicht anwesend, ich kann sie nicht fragen, dafür gibt es ihre Bilder.
Das Tripychon, links mit dem puppenhaften Mädchen mit geschlossenen Kussmund, in der Mitte das Kinderstuben-Stillleben mit dem Elefanten und dem umgekippten Weinglas, rechts der Ornamentstreifen.
Will da jemand nicht mitmachen, sprich, sich verweigern, oder taucht da jemand in seine ganz eigene Welt ein? Ist es gar das Gleiche? – Reflexartig krame ich in der Kunstgeschichte, während der Galerist weiter von Melvilles Bartleby erzählt: „Farblos, sauber, mitleiderregend anständig, rettungslos vereinsamt“, wie ihn der Anwalt beschreibt.
Unsere Diskussion wird spannend … unsere Gedankenbilder sind vielschichtig und hoch zeitgemäß. Es gibt viele Formen der Verweigerung, es ist ein gängiges Motiv, das sich durch die Kunst und Literatur schlängelt. Träge sein, dem Leben nichts mehr abgewinnen, die Ausweglosigkeit zelebrieren, mit einer äußeren Passivität die innere Aktivität überdecken …
Japanerin, 2013, 100 x 60 cm, Öl auf Leinen, € 4.800
Ich versuche es mal auf meine Weise: Wie wäre es, wenn wir die Bilder von Amelie Guth als ein geschlossenes System betrachten, in dem sich die Künstlerin verlieren will, das Um-sie-herum ausblenden möchte, sich Stunden erobert, die nur ihr gehören?
Mädchenkopf, 2014, 68 x 62 cm, Öl auf Leinen, € 4.800
So entsteht eine Welt für sich, in der Dekor und Ausdruck sich die Waage halten, in der das Innen das Außen nicht braucht, und deswegen kann die Schöpferin leise und eindringlich sagen: I would prefer not to“!
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