In der Nacht vom Samstag auf Sonntag, den 9. Oktober 2022, starb Bruno Latour, „der berühmteste und der am wenigsten verstandene französische Philosoph“, wie ihn einmal die New York Times nannte. Er wurde 75 Jahre alt. Ich erfuhr es kurz vor dem Abendessen und konnte nicht mehr richtig am Gespräch teilnehmen. Es kam mir vor, als wäre ein mir sehr nahestehender Mensch gegangen, eine Vaterfigur in gewisser Weise.

Bruno Latour war für mich die intellektuelle Entdeckung dieses Frühjahrs. Mehrfach hatte ich berichtet. Die aktuelle Kollektion „Muscheln fühlen“ steht in einem indirekten Zusammenhang mit seinem Denken, das wiederum in einer Nachfolge von Alexander von Humboldt zu sehen ist: Was ist der Mensch, und wie steht er mit allem in Verbindung?

„Wir sind Erdlinge nicht Menschen“ (Bruno Latour), wir sollten nicht von oben auf uns herabschauen, sondern eine Positionsbestimmung des Um-uns-herum vornehmen, so fasste er Wesentliches zusammen: Landing on Earth. – Er hinterlässt ein großes Vermächtnis und längst ist er nicht mehr der Unverstandene, sondern ein wichtiger Vordenker der Ökologie und einer Welt, die sich fundamental gewandelt hat. Das Internet ist voll von Nachrufen, das beste Zeichen, dass jemand wichtig war, ist und bleibt als Mentor, der einen durch die Zukunft geleitet.

PS: Nachfolgend das ganze Interview mit Bruno Latour. Die einzelnen Folgen sind auch mit deutschem Untertitel in der ARTE Mediathek zu finden (https://www.arte.tv/de/videos/106738-001-A/gespraeche-mit-bruno-latour-1/)