„Wenn man ganz viel zu tun hat, dann macht man noch ein wenig mehr“, so ähnlich kommentierte Pastorin Susanne Zingel, als ich ihr vorschlug, eine Arbeit der Hamburger Künstlerin Nele Budelmann zu Ostern in St. Severin in Keitum zu zeigen. Schnell waren wir uns einig: „Der Bogenschütze“, der schon in der Poolstrasse 30 so mächtig und eindrucksvoll hing. Die erzählende Ikonenmalerei, die Architektur des Kimonos, der nun in neuem Kontext religiös aufladen wird.

Zusammengefaltet liegt er in meinem Koffer, oben drauf das Holzbrett, ein Fundstück, das die Ärmel ausbreiten und dem Kimono seine Form geben soll: Body. Body, Sleeve, Sleeve, Collar, unten der breite Aufschlag.

Es ist früh am Morgen, als ich gestern in Keitum aus dem Hamburger Zug steige. Verschlafen liegt das schöne Dorf mit seinen Kapitänshäuser da. Es duftet nach Wattenmeer und Frühling.

Elmar Kruse und der Küster erwarten mich vor St. Severin, um das Objekt anzubringen, dort, wo zu Weihnachten der Adventskranz hängt. Freundlich und geschäftig schreiten sie zur Tat. Die große Leiter, das Band, das Nele mir mitgegeben hat. Ich halte mich zurück, ein „Fremder“ wird aufgehängt. Die schwere Leinwand klappt sich sperrig auf, die Stickereien der Künstlerin scheinen „Wunden“ zu bedecken, halten die Oberflächen zusammen.

„Es darf dem Altar keine Konkurrenz machen“, sagen sie. „Wird es nicht“, antworte ich mit Zurückhaltung in der Stimme. Wartet nur ab, es wird gleich sein eigenes Leben verströmen. „Noch ein wenig niedriger. Ja, so ist es richtig.“

Gemeinsam treten wir zurück. „Gut sieht es aus“, kommentiert Elmar. „Wie verletztlich“, höre ich leise den Küster sagen. Empfindsam und ganz stark, das Gewand, die Malerei, die gefaltete Leinwand mit dem gefunden Holzbrett. Kreuzigung und Trost.

Langsam dreht sich das Objekt, wie von unsichtbarer Hand berührt, zeigt sich von allen Seiten, still und erhaben. Es hat in der schlichten, weißgekalkten Kirche mit seinen dicken mittelalterlichen Mauern seine neue Heimstatt gefunden.

Morgen am K-Freitag um 10:00 Uhr wird Pastorin Susanne Zingel ihre Predigt halten. Um 15:00 Uhr zur Sterbestunde singt der Chor von St. Severin mit Pastorin Zingel. Anschließend folgt das „Silencium“ bis zur Osternacht um 22:00 Uhr als 30-stündige Klanginstallation. „Eine Einladung zum Hinhören und Schweigen“, wie es in der Ankündigung heißt.

Die „weltlichen“ Arbeiten von Nele Budelmann sind bei Roma e Toska im Kapitänshaus in Kampen zu sehen. Eine kleine Vernissage gibt es dazu am Samstag, den 19. April ab 12:00 Uhr. Die Künstlerin wird anwesend sein.