Meine Reise auf die Île de la Réunion ist fast zu Ende. Beim Aufwachen merke ich, wie mich mehr und mehr das Geschehen in Europa gefangen nimmt. Es hat mich sowieso die ganze Zeit begleitet mit einer Parallelität, die die Erlebnisse hier in der Ferne noch schöner werden ließen, einzigartig in ihrer friedlichen Existenz. Es fehlt noch ein Wimpernschlag der Erdgeschichte: der Vulkan Piton des Neiges.
Vor ungefährt drei Millionen Jahren schuf sein Ausbruch die Insel. In seiner ursprünglichen Form muss er über 4.000 m hoch gewesen sein, doch dann brachen an seinen Flanken die entleerten Magma-Kammern ein und formten riesige Kessel, die Cirques. Einen davon, den Cirque de Mafate haben wir zwei Tage lang durchwandert.
Es war für mich das erste Mal, dass ich so eine „Randonnée“, wie die Franzosen es nennen, gemacht habe. Schwierigkeitsgrad: hoch. Meine Bluse ist schon noch kurzer Zeit nass geschwitzt, um den Hals das kleine „Interieurchen“ Tuch. Vorsichtig setze ich Fuss vor Fuss. Es geht vom Col des Boeufs (1.960m) hinab nach Marla.
Im Rucksack diesmal nur das Nötigste und ein paar Wasserflaschen. Nico und Roma laufen vorweg, ich kann mithalten, aber bleibe immer wieder stehen, wische mir den Schweiß aus dem Gesicht und mache ein Foto, denke an all die, die dieses hier auch sehen sollten, so einzigartig ist es.
Ein Blick über die regenfeuchte Vegetation in die nebelverhangene Bergwelt, und es müsste doch so viele Probleme wegwischen. Müsste.
Es geht wieder bergauf, über die glitschigen Steine eines Wasserfalls. Ab und an kreist über uns ein Hubschrauber, die einzige Möglichkeit, die hier lebenden Menschen zu versorgen. Straßen gibt es keine.
Zwischendurch regnet es. Es macht mir nichts aus, bin sowieso durchnässt. Ich weiß, dass ich ein Lächeln im Gesicht trage, meine Haare hängen über den Augen, ich drehe sie hinten zu einem Knoten zusammen. Von Zeit zu Zeit ruft Roma, ob es mir gut geht. Ja, es geht mir gut.
Genau das habe ich gebraucht nach den langen Corona Monaten und für all das, was noch kommen wird. Einmal wegtauchen in eine atemberaubende Natur, in der Millionen Jahre zum Wimpernschlag werden, die Beine spüren, auf jedes Steinchen achten, sich an Äste klammern und durch einen reißenden Bach waten. Genau das. Etwas, das viel größer ist als der Alltag.
Wir biwaken unten im Kessel. „Trois Roches“ heißt die kleine Ebene mit den drei Riesen (Felsen) und einem Wäldchen wie aus den Märchenbüchern meiner Kindheit.
Als morgens um 6.00 Uhr die Sonne über den Bergen aufgeht, sitze ich allein draußen, beobachte das wilde Kätzchen, wie es sich putzt. Meine Bluse trocknet auf den warmen Steinen.
Wieder habe ich diese Bedürfnis, alles mit Euch zu teilen, die Stromschnellen, wie sie das Sonnenlicht grün färbt, der blaue Himmel, der so unendlich hoch erscheint, das Bad im kalten Wasser.
Es geht zurück durch den Wald von Tamarins, dem Holz der Region, aus dem beinahe alles gefertigt wird. Nichts wächst gerade nach oben, es biegt sich, es verschlingt sich und zieht mich wieder aus der Realität heraus.
Warum es keine Vögel hier gibt? Es ist beinahe gespenstisch still ohne unheimlich zu sein. Meine Phantasie spinnt sich zu Fabeln, ich denke an Jean de La Fontaine (1621 – 1695).
Meine Töchter verdrehen immer ein wenig die Augen, wenn sie mich formulieren sehen, wenn ich stehenbleibe für das nächste Foto. Liebevoll nennen sie mich „Frühstücks-Schreiberin“. Nun denn, es ist eben meine Art des Sehens, das immer auch das Teilen in sich birgt.
Wenn ich dann kaum mehr Luft habe, um den nächsten Schritt zu machen, denn denke ich mir, wie ich diesen Blog beginne und was ich in diesen schwierigen Zeiten sagen möchte. Und dann geht es wieder weiter, ich überhole sogar ab-und-an die beiden vor mir, setze mich an die Spitze, Fuß vor Fuß, bis wir nach nochmals sieben Stunden wieder am Ausgangspunkt angelangt sind.
PS: Von jedem Kauf spenden wir € 50,00 an das Deutsche Rote Kreuz, Stichwort „Nothilfe Ukraine“. In der nächsten Woche werden wir an einer kleiner Kinder-Edition arbeiten, deren Erlöse wir ebenfalls zweckgebunden spenden werden.
Liebe Birgit,
was für wunderbare Aufnahmen – was für ein Erlebnis……
Die Natur ist heilend und inspirierend zugleich
Danke fürs Teilen, Irene
Liebe Birgit,
ich danke dir für die tollen Einblicke in die schöne Inselwelt. Ich freue mich jeden Tag über deine Berichte und Aussagen. Die lebendige Beschreibung fesselt mich täglich.
Danke Edda