Heute entführe ich Euch aus der Realität in ein Märchen von Dornröschen, das uns über hundert Jahre zurückversetzt in eine mondäne Welt, fern von Europa, doch eng damit verbunden. Also schließt die Augen und geht mit mir auf die Reise zu einem Ort, in dem es duftet nach exotischen Riesenblüten, in dem der Regen von übergroßen Blättern tropft und dünne Nebelschwaden den Blick auf die Berge verhüllen.

Wer hat schon jemals von Hell-Bourg gehört, dem einzigen Dorf der Departments d’Outres Mer, das das Prädikat „Un des plus beaux villages de France“ erhielt? Niemand.

Es liegt im Norden der Réunion am Cirque de Salazie. Eine enge gewundene Staße führt hinauf. Seine ehemaligen Besitzer scheinen in einem tiefen Schlaf zu liegen, verwunschen ihre Häuser und Villen hinter halbgeöffneten Toren und grünen Hecken. Die Architektur ist eine Verschmelzung aus kreolischer Tradition und Fin de Siècle Kolonialarchitektur.

Die Fenster sind verschlossen, Spinnen haben ihre unsichtbaren Netze gesponnen, so als würden sie nur unsere Blicke zulassen, aber den Zutritt verwehren.

Der Grund für das Aufblühen dieses geographisch schwer zugänglichen Städtchens liegt an seinem Thermen. 1831 wurde die Quelle erstmals entdeckt. Aber ihre Blütezeit erreichte Hell-Bourg zwischen 1904 und 1920. Hier traf sich die feine Gesellschaft der Belle Epoche, darunter Prinzen und Prinzessinnen, Gouverneure und Diplomaten, einem neuen Bedürfnis folgend von „changement d’air“, Europa und den Städten entfliehen.

Ein kleines Zeichen „Ancienne Therme“ führt uns entlang der Bibliothek einen brüchigen regennassen Weg hinab. Urwaldähnliche Vegetation schließt uns ein, seitlich eine weggespühlte Eisenbrücke, verfallene Mauern, die sich die Natur zurückerobert. Jeder Schritt führt uns weiter in Dornröschens Schlaf.

Und dann stehen wir inmitten der ehemaligen Therme, ein mystischer Ort. Die Stimmen von damals sind nicht mehr zu vernehmen. Stürme und Cyclone habe sie zum Schweigen gebracht, aber eine besondere Kraft und Energie ist dennoch zu spüren.

Dann bricht plötzlich das Sonnenlicht durch, die Farben beginnen zu strahlen. Und nun sind wir wirklich bis zu Dornröschen vorgedrungen.

Stunden könnte ich hier verbringen, regungslos den Schmetterlingen folgen und die Linien der Blätterranken abtasten, die sich an die Mauern klammern.

Nach einer Weile tue das, was ich immer tue, wenn ich solcher Bilderflut begegne: ich fotografiere und halte fest, damit es sich in meiner Phantasie verankert, für was auch immer …, ob es zu Stoffen wird, zu Bordüren oder gar zu Editionen.

Nun dürft Ihr die Augen wieder öffnen, zurück in der Realität. So ist das, aber was wären wir ohne Dornröschens Träume und Orte wie Hell-Bourg, die uns schlafwandlerisch zwischen den Zeiten wandeln lassen.

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