Erste Arbeiten von Luca Lanzi haben den Besitzer gewechselt. Übrig geblieben sind ein paar einsame Nägel und leere Wände im ersten Raum im Tempel (Wände mit Flecken). Ich fremdele, an dem Schreibtisch habe ich noch nicht gesessen, andere Plätze sind dagegen schon meine kreativen Lieblingsorte geworden, wie die Fensterbank mit dem Blick auf die Apsis-Ruine, die Küche oder das rosa schäbige pittoreske Schlafzimmer.

In meinem Kopf spukt ein Künstler, der zu den wichtigsten Zeichnern seiner Generation gehört: Aiko Borcherding (*1977). Aus alten Papieren schafft er Collagen, so wie die Minimal-Art, die Arte Povera und die Concept Art es gemacht haben. Ich denke ein wenig an Franz Erhard Walter und seine frühen Arbeiten Anfang der 1960er Jahre oder an Herbert Zangs mit seinen Weißungen.

Aber es sind keine konkreten Verweise, es ist nur die Summe von Gesehenem, das seine Wurzeln in der Spurensuche von Zeit besitzt. So wie gestern die Wände in dem Tempel, so ist es heute das Papier, über Jahrzehnte, Jahrhundert(e) alt, zerschnitten und wieder überklebt, vergilbt, mit Flecken und Rändern.

Es wäre falsch, zu sagen, die Papier-Collage wäre der Untergrund, vielmehr öffnet sie den Raum für die darauf entstandenen altmeisterlichen Zeichnungen: die Schwäne im einem Gestrüpp von Ästen und Ästchen, wie ein Strauß aus Flora und Fauna, die Gewandskulptur, der Vogelkopf, der Widder … Es sind Versatzstücke von irritierenden Symbolkraft.

Thomas Holthoff und ich suchen in seiner Galerie in der Fischers Allee 70 in Hamburg-Ottensen ein paar erste Arbeiten von Eiko Borcherding aus.

Und schon am selbigen Arbeit stelle ich sie um mich herum, hänge sie, wo ein alter Nagel steckt. Und in diesem Moment wird der Raum belebt, kreativ aufgeladen und zu einem Zuhause.

Ich setze mich an den Schreibtisch, draußen ist es dunkel, nur die kleine Lampe von Magpie Art Collective ist an, daneben ein Glas Rotwein und beginne zu schreiben.

Mein Blick fällt auf die Schwäne, die Karos, den alten Baum. Ich fühle mich behütet, umgeben von Kunst, die über die Zeit hinaus in eine beinahe märchenhafte Welt hinausführt.

Eiko Borchering, Bleistift auf Papier, 29,7 x 21 cm, gerahmt (€ 700). Eiko Borcherding, Bleistift auf Papier, 90 x 70 gerahmt (€ 3.500)