Tief tauche ich in die Geschichte ein, um Haus und Zuhause zu sezieren und auf eine ganz eigene Art zu beschreiben. Es geht um das Jahr 1689. Die Sylter, die bis dato vornehmlich vom Heringfang lebten, hatten den Walfang für sich entdeckt. Kapitäne und Matrosen verließen mit Bike und dem bevorstehenden Frühling ihre Familien, um oft über Monate fern von daheim zu sein. Die Frauen regelten inszwischen den kargen Alltag an der Küste. Unser Kapitänshaus wurde errichtet.

Auf dem Rückweg brachten die Schiffe die wertvollen Kacheln aus Holland und Delft zurück, damit sie die gute Stube schmückten und die Feuchtigkeit von draußen abhielten.

Schon damals war die Insel ein „global Dorf“, in dem die Geschichten von überall her erzählt wurden. Echtes Seemannsgarn mit einer Prise Wahrheit und einem Schuss Rum (und zukünftig Trii Gin).

Anno 1689. Was geschah sonst auf der Welt? England zum Beispiel feierte seine „Glorious Revolution“, hatte Wilhelm von Oranien als König auf den Thron gehoben, und das Parlament führte die berühmte „Bill of Rights“ ein. Diese beschränkte die Macht des Souveräns, gewährte die Unantastbarkeit der Abgeordneten und jeder im Parlament durfte unbeschadet seine freie Meinung äußern.

Zur gleichen Zeit belagerten die Türken mit ihren Heerscharen Österreich und Wien. Ein Tyszkiewicz hielt sie mit seinen Truppen heldenhaft auf. Außer, dass wir als seine Nachfahren im Kapitänshaus leben, gibt es allerdings keine weitere Verbindung zu Sylt.

Ebenfalls in 1689 erhielt Herzog Christian Albrecht von Schleswig-Holstein-Gottorf durch den Altonaer Vertrag seine Ländereien von Dänemark zurück. Sylt gehörte jedoch schon lange zu Schleswig (bis auf List). Seit 1640 ist auch eine Schule in der Chronik verzeichnet. Ich gehe davon aus, dass die ersten Bewohner unses Kapitänshauses lesen und schreiben konnten.

Vielleicht saß eine Frau am Fenster, wo ich jetzt sitze, und schrieb Briefe an ihren Mann, der vor den Küsten Grönlands und Spitzbergen auf Walfang segelte. Ihre Kerze flackerte im Wind, der durch die undichten Fenster blies. Es ist heute noch genauso.

Das Kapitänshaus ist das zweitälteste Gebäude in Kampen. Vieles ist im Original erhalten geblieben, die alten Holzständer, die Backsteinfassade und die Kacheln an der Wand. Die Geschichte ist gnädig über es hinweggegangen, Kriege und Frieden, Stürme und Fluten. Manchmal ächzt und knarzt es, zeigte Risse in den Fugen. Es besitzt eine Seele, wie alle alten Gemäuer. Es ist ein gutes Haus.

Eeb an flödj täiwe eefter niimen.
(Friesisches Sprichwort: Ebbe und Flut warten auf niemanden.)

Die Delfter Kacheln für die Motive von Schal und Stola stammen aus dem Haus, die Brombeeren wachsen in der Braderuper Heide. Wer in den nächsten Tagen bestellt, erhält die schönen „Souvenirs der Insel“ noch rechtzeitig zu Ostern.