Wenn ich das Wort „Rom“ höre komme ich sofort ins Schwärmen und Träumen – ewige Stadt, pulsierende Stadt, geheimnisvoll, geschichtsträchtig, voller Emotionen … Anna Magnani, Fontana di Trevi, Nouvelle Vague, „Roman Holiday“ mit Audrey Hepburn … Meine älteste Tochter wurde „Roma“ genannt, damit keiner unseren schwierigen Nachnahmen aussprechen muss … Rom – Ein Ort perfekt für einen Krimi.

Anna MagnaniFoto: Anna Magnani

Als die Kulturjournalistin Christiane von Korff mir kürzlich von ihrer bevorstehende Reise erzählte, auf der sie das andere Rom hinter den bekannten Fassenden kennenlernen würde, probierten wir ein wenig im Geschäft mit der neuen Kollektion herum. Was passt zu dieser Metropole unter müdem Spätherbst-Himmel, zu den engen Gassen und Bauwerken aus gelb-grau-rose Ziegelstein und Marmor … ? Schwarz, nude, grau, sanftes verwaschenes Blau. Zwei Tage war von Korff in der italienischen Metropole an der Seite von Mirko Zilahy. 1974 in Rom geboren, studierte er Anglistik und Italianistik, wurde Übersetzer namhafter Autoren (u.a. Donna Tratt) und schrieb jetzt seinen aufsehenerregenden Debütroman „Schattenkiller“. Ich befürchte, die Nacht wird wieder lang und spannend mit der neuen Lektüre, ab morgen im Handel erhältlich. Hier ist der Reisereport von Christiane von Korff:

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Schattenkiller

Rom, wie wir es nicht kennen

Eine literarische Spurensuche in der Ewigen Stadt

Von Christiane von Korff

Zu den schönen Seiten meines Lebens als Kulturreporterin gehört, dass ich Schriftsteller mitunter an die Orte ihrer Romane begleite. In Venedig läßt Donna Leon ihren liebenswürdigen Commissario Guido Brunetti ermitteln, in Sizilien Andrea Camilleri seinen launischen Inspektor Salvio Montalbano. Jetzt hat auch Rom einen Ermittler bekommen: den smarten Enrico Mancini.

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Deshalb führt mich mein Weg nach Rom, wo ich den Autoren, Mirko Zilahy, treffe. Der Italiener hat einen literarischen Thriller der Premiumklasse geschrieben, der in sechs europäischen Ländern erscheint. Wir wollen uns an die Fersen seines smarten Commissarios heften und ihn begleiten bei seiner Jagd nach einem mysteriösen Serienmörder, der sich „Schatten“ nennt.

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Als ersten Schauplatz zeigt mir Mirko eine der ältesten Papst-Basiliken Roms: San Paolo fuori le Mura – Sankt Paul vor den Mauern. Kaiser Konstantin ließ diese Kirche über dem Grab des Apostels Paul errichten. Im Innern des spätantiken Baus blendet uns das prachtvolle Apsismosaik. Über den Säulen zieht sich ein langes Band von 265 Medaillons mit den Porträts der Päpste, auch die der jüngsten: Der deutsche Papst Benedikt und sein Nachfolger, der heutige Papst Franziskus.

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Wir stellen uns vor die Porta Sancta, die Heilige Pforte, die heute geschlossen ist, da sie nur in Heiligen Jahren geöffnet wird. Schade eigentlich, denn „wer durch diese Pforte schreitet,“ heißt es in einem Brief aus dem Jahr 1400, „dem werden seine Schuld und seine Sünden erlassen.“ Zum Sündenerlass, erklärt Mirko zwinkernd, „gehörte natürlich eine großzügige Geldspende.“ Ein Brauch, auch Ablasshandel genannt, den geschäftstüchtige Bischöfe im Mittelalter erfunden haben, um das Kirchensäckel aufzufüllen.

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Wie in jeder guten Literatur geht es auch in Zilahys Thriller um Schuld und Sühne. Einer der Opfer ist ein Mönch. Der wird in der Ewigen Stadt an einem Ort ermordet, den man nicht von Postkarten kennt.

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Der alte Schlachthof von Testaccio, ist heute ein Kulturzentrum. Er liegt in dem Stadtgebiet von Rom, das „Scherbenhügel“ heißt. Denn zu Zeiten der Römer befanden sich an dieser Stelle am Tiber eine Anlegestelle für Lastkähne. Im Laufe der Zeit haben sich dort so viele zerbrochene Amphoren angesammelt, einst gefüllt mit Lebensmitteln oder Öl, dass sich ein Hügel aufgetürmt hat.

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Das steinerne Eingangsportal des ehemaligen Schlachthofs  ist mit wunderschöner Kunst bestückt: über dem mittleren Torbogen packt ein geflügelter Genius den Stier bei den Hörnern, um ihn zu Boden zu zwingen. „Schönheit und Tod“, erklärt Mirko „liegen in Rom nebeneinander.“ Nicht nur in Rom, sagt Meike Dannenberg, die sich uns angeschlossen hat, um ihren Kollegen nach seinen literarischen Kniffs zu befragen. Die Deutsche muss es wissen, denn sie selbst hat einen spannenden Krimi geschrieben. «Blumenkinder« spielt nicht in Rom, sondern im beschaulichen Lüneburg, das sie, so erzählt uns die Autorin, „geographisch etwas verzerrt“ habe, um den realen Orten die Verbrechen nicht zu nah anzudichten.

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Foto Meike Dannenberg mit Zilahy im Schlachthof

Auf derartige Verfremdungen würde Mirko Zilahy nicht kommen. Der gebürtige Römer beschreibt die Schauplätze Roms authentisch, aber mit der Phantasie des Dichters: «Schnell und dunkel strömte der Tiber vorbei, bewacht vom Metallskelett des großen Gasometers. Noch so ein Koloss und doch ganz anders in der Form als das steinerne Stadion des Kolosseum. Der Metallzylinder erhob sich fast hundert Meter über dem Boden, erreichte die doppelte Höhe seines berühmten Bruders. Die Materialien und der Gesamteindruck machten ihn zum Antipoden der feierlichen und unvergänglichen Eleganz des Kolosseums. Dennoch nahm Caterina eine merkwürdige Verbindung der beiden Gebilde wahr. Etwas Todbringendes, eine Bedrohung, die unterschwellig beide Bauten füllte. Das eine hatte Spiel und Tod vermischt, das andere Menschen und Fluss vergiftet. Beide warfen einen eigenen, unheilvollen Schatten, beide waren Wunden auf dieser Erde und doch selbst den Klauen der Zeit ausgeliefert.«

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Der Stahlkoloss, das Gasometer ragt jetzt vor uns auf, denn wir haben halt gemacht an einer Brücke. Wir sind in Ostiense, einer Ecke in Rom, die geprägt ist von Bauruinen und industrieller Architektur. „Vor achtzig Jahren“, erzählt Mirko, „war hier das größte Industriegebiet der Stadt beheimatet, die Gasversorgungsbetriebe, das Wärmekraftwerk und das alte Zollamt.“

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Für Mirko Zilahy das perfektes Setting seines Romans, wo der „Schatten“ seine Opfer umbringt und auch ausstellt. Auf der anderen Seite des Flusses stehen eingefallene Gebäude und ein Ziegelschornstein. Ruinen einer verlassenen Seifenfabrik, auch sie haben Mirko inspiriert.

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Bei blauem Himmel, denke ich, wirken sie nicht so gespenstisch wie in seinem Roman. Aber ich habe ja auch nicht die Phantasie des Schriftstellers, dessen Thriller «Schattenkiller« Gänsehaut garantiert. Und Morgen geht es weiter, … im Labyrinth der Gassen von Rom und im Stammlokal von Pasolini.

Christiane von Korff ist Kulturreporterin und Autorin für Spiegel Wissen, stern, die Zeit. Ihr Markenzeichen sind Porträts und Gespräche mit Persönlichkeiten aus Kultur und Literatur. Gemeinsam mit Avi Primor schrieb sie das Buch „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld. Deutsch-jüdische Missverständnisse“.