Man kann Halloween so manches posten, das wir alle Jahre immer wieder so ähnlich sehen: die gruseligen Masken, die Kürbisse, das kreischende Lachen der Um-die-Häuser ziehenden Truppe …  Aber diesmal reizt mich der Mann, der sich in den Strudel des Lebens stürzt, der alles gibt, den dunklen Kräften entwischt, sich in die Arme der Frauen wirft und … ehe man sich versieht an einem anderen Ort auftaucht. Die Rede ist von dem Schauspieler Philipp Hochmair. Christiane von Korff, Kulturjournalistin im Dauereinsatz, hat ihn getroffen … Hier ist ihr Bericht.

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Er haust im Sturm

Von Christiane von Korff

Ich melde mich zurück. Nach dem Buchmesse-Marathon ging’s weiter nach Berlin. Meine Leidenschaft lässt mich für’s Theater brennen – natürlich nur bei mitreißenden Aufführungen. Die erlebe ich mit Philipp Hochmair. Es gibt keine nennenswerte Hauptrolle, die der „große Hochmair“ (Magazin Theater heute) nicht gespielt hat, kaum ein Theater zwischen Wien, Paris und Hamburg, das er ausgelassen hat. Ich ergänze: kein großes Theater zwischen Shanghai und Sidney, denn internationale Bühnen bespielt er außerdem. Schon als junger Mann nimmt ihn das Wiener Burgtheater in seine Ehrengalerie auf.

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Dort ist er mit einer Skulptur verewigt. Das Geheimnis seines Erfolgs? Talent, klar. Fleiß klar. Durchhaltevermögen klar, alles Voraussetzungen. „Sprache“, sagte mir Hochmair nach einer seiner Aufführungen, „ist für mich eine Droge. Das Spiel wird damit zum Rausch.“ Hochmair ist kein Schauspieler, sondern Menschendarsteller. Er spielt nicht, sondern er ist «Siegfried« oder «Werther« oder «Jedermann«. und wenn er nicht in diesen Rollen auf der Bühne steht, dann ist er in Filmen der Freiherr von Suttner, der Schwule im preisgekrönten «Kater« oder der Minister in «Vorstadtweiber«, der Kultserie und österreichischen Antwort auf Amerikas «Desperate Housewives«.  Ich gehöre zu den vier Millionen deutschen Zuschauern, die mit diebischer Freude die wohlhabenden, Prosecco trinkenden und intriganten Weiber dabei beobachteten, wie sie ihren dappischen Männern zeigen, was ‘ne Harke ist. Die 3. Staffel wird gerade gedreht.

Kater Philipp Hochmair

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Vom Dreh der «Vorstadtweiber« ist Philipp Hochmair gerade aus Wien nach Berlin eingeflogen. Zur Premiere seines Stücks „Jedermann Reloaded“. Der Saal des traditionsreichen Berliner Ensembles, kurz BE genannt, ist voll und Hochmair rockt das Publikum: Er tänzelt, fliegt, wirbelt über die Bühne zu den experimentellen Sounds und  Elektrobeats der Band «Elektrohand Gottes«. Hochmair stellt alle Rollen in Jedermann dar:

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Foto: Marlen Mieth

Atemlos verfolgen wir das Stück, das Hugo von Hoffmansthal vor 100 Jahren schrieb, und nun reloaded, das heißt neu aufgeladen wird, und sehen fassungslos wie Jedermann in seiner unstillbaren Gier nach Geld, Liebe und Rausch verglüht. Das Publikum klatscht und trampelt. Nach Ende der Vorstellung glüht Philipp immer noch.

Jedermann Reloaded

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Nach diversen Interviews mit der lokalen Presse und Talks mit Schauspieler-Kollegen und Regisseurinnen wie Nina Grosse («Die Protokollantin«) muss er seine Energie wieder auftanken. Mit einem Stück Fleisch. Das suchen wir im Grill Royal, wo auch George Clooney schon so manches dicke Steak verspeist hat. „Wir haben,“ , sagen uns die zwei Kellner hinter der Bar, „geschlossen!“  Uups – es ist  Nachts um halb eins und wir sind nicht auf der Reeperbahn! Doch sie können Philipps Charme nicht widerstehen und öffnen für ihn und seine Truppe noch zwei Flaschen guten – sehr, sehr guten – Rotwein.

Hochmair

grill-royal Berlin

Am nächsten Tag geht’s für Philipp Hochmair schon wieder zurück nach Wien, dann nach Hamburg, wo er auf der Bühne des Thalia Theaters steht: Heute Abend als Mephisto im Faust! Und am 22.12. noch Mal: Jedermann Reloaded im BE. Wenn ich Hochmair beobachte mit seinem Tempo, seinem steten Rollentausch und seiner gewaltigen Darstellungskraft – fällt mir nur noch der Albatros ein:

„Er haust im Sturm – er lacht dem Bogenstrang

Doch hindern drunten zwischen frechem Volke 

Die riesenhaften Flügel ihn am Gang.“

(Charles Baudelaire)

Christiane von Korff ist Kulturreporterin und Autorin. Ihr Markenzeichen sind Porträts und Gespräche mit Persönlichkeiten aus Kultur und Literatur. Gemeinsam mit Avi Primor schrieb sie das Buch „An allem sind die Juden und die Radfahrer schuld. Deutsch-jüdische Missverständnisse“.