Neben mir liegt der Briefwechsel zwischen Pierre Bonnard (1867 – 1946) und Henri Matisse (1869 – 1952), den die beiden großen Meister der Malerei zwischen 1926 und 1946 miteinander führten. In der Einleitung ist von einer „anrührende Prosaik des Einfältigen“ die Rede. Da wird schriftlich überlegt, ob man ein Taxi nehmen sollte oder nicht, es ist von Erkältung die Rede, von Hühnerbrühe und Leberkolik. Aus Tahiti schreibt Matisse an den Freund: „Habe nichts gemacht, außer schlechten Fotos“.
Ich lese quer und stöbere, gleite von hinten durch die Seiten, stoppe hier und da, und gebe dem Lesen eine genussvolle Zufälligkeit, die mich traumwandlerisch zu den wichtigen Sätzen führt. „Es leben die Malerei!… Grüße. Matisse“
Henri Cartier-Bresson, Bonnard in Le Cannet, 1945
Bonnard, der zwei Jahre ältere, gilt als der letzte Impressionist, Matisse als der erste des Modernen, aber beide haben eine Vision. So schreibt letzterer: Sie „besitzen doch die gleich malerische Intelligenz. Sie teilen dieselbe absolute Überzeugung, daß ein Gemälde aus sich heraus sein eigenes Leben leben muß; daß es keine Nachahmung des Lebens ist, sondern die Übertragung eines Gefühls, empfunden bei einem Anblick …“
Henri Cartier-Bresson, Matisse in Vence, 1944
1940 wird die Korrespondenz intensiver, die Künstler sind ihn ihren Räumen „gefangen“, fürchten den näherrückenden Krieg und die Besetzung des französischen Südens durch die Deutschen. Hinter der Heiterkeid des Bildes stecken harte innere Kämpfe und die Angst, ohne die „Freiheit des Geistes“ die Malerei zu verlieren.
Am 7. September 1940 schreibt Matisse: „Mein lieber Bonnard, nach einer ziemlich unangenehmen Reise bin ich seit ungefähr zehn Tagen wieder in Nizza. Ich habe mich zurück ans Werk gemacht, um mein Gleichgewicht wiederzufinden, aber hier herrscht eine so trübe Stimmung, eine allgemeine Beklemmung wegen all dem, was wieder und wieder über die bevorstehende Besatzung von Nizza erzählt wird …
Keramik von 1930 – 1950.
Ich glaube, dass mir ein Besuch bei Ihnen außerordentlich guttäte. Gewiss würde der Anblick Ihrer Malerei helfen, die Wand abzutragen, die ich im Augenblick vor der Nase habe, und ließe mich die Dinge, vor allem meine Arbeit, leichter, direkter angehen. (…) Henri Matisse
Daraufhin habe ich mal meine Wände versucht „abzutragen“, um Ausschnitte herzustellen, die sich als Fläche auflösen, um Geschichten zu erzählen.
Literatur: Pierre Bonnard und Henri Matisse. Briefe und Karten, Hatje Verlag 1993
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