Gestern ist die Freundin und Weggefährtin Astrid Reifferscheidt sanft für immer eingeschlafen. Als hätte ich es gespürt, schrieb ich wenige Minuten zuvor, dass es ein guter Tag wäre, um zu sterben. Die ersten Stunden des Sommers, „die selbst das Traurigsein schön machen“. Viele von Euch haben sie gekannt, und sind sicherlich bestürzt, diese Zeilen zu lesen. All die Begegnungen und Events, die wir miteinander genossen haben, auf Sylt oder in der Poolstrasse, mit dem Kapitän und auf der MS Europa, als sie im Hamburger Hafen lag…
MS Europa Schiffsbesichtigung in Hamburg, 2023
Am gleichen Abend, an dem die Sonne nicht untergehen mochte, saß ich zusammen mit der Pastorin Susannen Zingel. Wir blickten über das milchige Wattenmeer, sprachen ernst, lachten dazwischen, umkreisten mit unseren Gedanken die Freundin und uns selbst. Irgendwann kam die Flut. Der ewige Rhythmus des Lebens. Wie gelingt ein Dasein in Liebe und Güte?
In ihren letzten Monaten, spätestens, als sie beschlossen hatte, den unausweichlichen Tod zu akzeptieren, ging von Astrid ein sonderbares Leuchten aus, eine Kraft und eine tiefe Dankbarkeit selbst oder vor allem für die kleinen Dinge. Wie habe ich sie dafür bewundert auf unserem letzten Spaziergang durch die Felder mit dem weiten Horizont.
Auf der MS Europa vor List, 2018.
Sie hat es uns immer leicht gemacht, dafür gesorgt, dass es uns gut geht, dass wir uns wohlfühlen, dass für alles gesorgt ist. Nur wer ganz genau hinschaute, sah einen Hauch von Melancholie, der sie umwehte, eine Sehnsucht nach etwas, das sich doch erfüllen möge. Aber so etwas gehört vielleicht zu den Menschen, die auf Reisen sind.
Susanne und ich gießen uns noch ein Glas Wein ein, der erste warme Abend im Sommer. Was für eine Zärtlichkeit liegt über dem Meer, als würde es trösten wollen. Wenn man ein Leben mit Anstand lebt, ohne Missgunst und Lügen, dann hat es für mich etwas mit dem Wesen von Schönheit zu tun. Ihre Bescheidenheit hat mich oft irritiert und die darin liegende Größe konnte ich lange nicht erkennen. Nun macht sie mich demütig.
Vor einem Jahr erzählte sie mir von ihrer Krankheit, die sich so unerwartet rasant verschlimmert hatte. Ihre engsten Freundinnen haben sie über die Monate begleitet, und ich auf meine Weise mit einer seltsamen Verbundenheit. Zwei Tage ist es her, da ging ich noch einmal den Weg, den wir beide so oft gegangen sind. Alles begann mit meiner Eisbären-Kollektion 2017, als Astrid zu mir ins Kapitänshaus kam.
Sie würde über Eisbären Vorträge halten und über Schiffsreisen in die Antarktis, erzählte sie mir damals ganz begeistert. Wir wurden Freundinnen und die Eisbären, die nun trauern, bildeten den Auftakt und die Klammer für viele unserer Geschichten.
Wie dankbar bin ich ihr für die große Schiffsreise durch die Südsee, die mich verändert zurückkehren ließ. Es gibt diese Einschnitte im Leben, die man nicht allein hinbekommen hätte, und für die man dem anderen auf ewig dankbar ist. Wenn wir uns trafen, tauschten wir Herzensangelegenheiten aus, denn das Leben läuft nie geradeaus und erfüllt sich selten nach unserem Plan.
Und so ging ich vorgestern allein meines Weges durch die Sommerfelder und beobachtete, wie sich die Wolken formierten zu einem strahlenden Fächer, als würden sie ein Willkommen vorbereiten. Rücklings lag ich im Gras, dem Himmel so nah.
Der Tod ist etwas Abstraktes, etwas Unfassliches. Aber wenn ein besonderer Mensch geht, dann gibt es dafür Zeichen, die wir als Zurückgebliebene bewahren für unser Gedenken. Es ist das kreisrunde Wolkenloch, das sich am Ende meines Spazierganges plötzlich auftat. Geduldig blieb es stehen über der Heidelandschaft mit seinen vom Wind gebeugten Bäumen, als würde es auf jemanden warten.
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