Es ist der 1. September. 4:45 Uhr weckt mich der Hund, der kurz vor die Tür muss. Vielleicht mag es auch ein wenig später sein, egal. Schnell schlüpfe ich in den Pullover und in die kurze Hose, warte draußen geduldig, gehe ein paar Schritte, die Sonne wird erst in ca. einer Stunde aufgehen. Noch sind ein paar Nachtwolken am Himmel, ein lauer Wind weht aus westlicher Richtung, kaum wahrnehmbar.
Es kündigt sich ein schöner Tag an mit Temperaturen von 22°C auf der Insel und bis zu 27°C auf dem Festland. Die meisten schlafen noch, ich bleibe wach, schreibe ein wenig, fühle mich unbeschwert … So wie mir ging es sicherlich vielen Menschen an dem 1. September im Sommer 1939. In den Archiven steht es jedenfalls ähnlich beschrieben.
© picture-alliance/akg-images, Foto: akg-images
4:45 Uhr, 1. September 1939 gilt als der Beginn des Zweiten Weltkrieges. Nazi-Deutschland hatte einen Angriff von polnischen Soldaten vorgetäuscht, die auf der Westerplatte, einer Halbinsel vor Danzig, mit 218 Mann ein Munitionslager unterhielten.
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Das Schlacht- und Schulschiff „Schleswig-Holstein“, das zur Täuschung der Hansestadt einen Freundschaftsbesuch abstattete, schoss ab 5:45 Uhr zurück, wie Adolf Hilter in seiner Rede wenige Stunden später dem deutschen Volk vorlog. Die scheinbare Verteidigung war in Wirklichkeit, wie die Geschichte weiß, der Beginn eines mörderischen Angriffskrieg* auf ein souveränes Land, auf Europa, auf die Welt.
Darum sollten wir dieses Datum zu einem nationalen Gedenktag machen, mit der Ungleichzeitigkeit eines schönen warmen Spätsommertages, der nicht mehr unschuldig bleiben darf.
*“Angriffskrieg“, es könnte zu einem der tragischen Wörter 2022 werden, taucht es doch täglich in den Nachrichten mitten aus Europa auf.
Ja, da hat Du in Deinem heutigen Blog wirklich recht. Meine Familie mütterlicherseits stammt ja aus Danzig, und meine Großmutter hat oft erzählt, wie sie an ein lang andauerndes Gewitter im Morgengrauen geglaubt hat, aber mein Großvater mit ihr auf den Dachboden gestiegen ist (er kannte den Kanonendonner aus dem 1. WK), und von oben haben sie gesehen, wie auf der Westerplatte geschossen wurde. Damit war auch ihr Schicksal – alles zu verlieren, Flüchtlinge zu sein, nie wieder ein richtiges Zuhause zu haben – besiegelt….