Gestern Nachmittag in Kampen auf Sylt. Toska und ich sitzen zusammen und führen ein Gespräch, wie wir es selten haben. Nicht, dass wir nicht miteinander ernste und tiefe Gedanken austauschen, nur kreisen sie sonst weniger um das Vergangene, als mehr um das Jetzt und Morgen. Die Nachmittagssonne scheint durch die Fenster, und wir haben es uns in den beiden roten Sesseln aus dem Art Deco gemütlich gemacht.

Kurz gibt sie die Anweisungen oder sollte ich besser „Spielregeln“ sagen? Keine doofen Fragen wie für Kinder-TV, keine nervigen Fotos und auch keine Notizen. Dass würde sie stören.

Na gut, ich kann mir zum Glück so einiges merken, halte ausnahmsweise den Mund, der Hund kuschelt sich ein, und Toska beginnt zu erzählen. Es geht um 20 Jahre Roma e Toska und damit um ihre Kindheit.

Toska ist vier Jahre alt, als ich mit meinen ersten suchtartigen Nähversuchen beginne. Wir wohnen draußen auf dem Land in einem Herrenhaus, vierzig Kilomenter von Hamburg entfernt. Jeden Morgen fahren wir diese Strecke zur französischen Schule und mittags holen wir sie wieder ab.

Frühjahr 2001, Toska hat aus den Fotos damals eine Collage geklebt.

Und danach …? Sie bezeichnet es als „zauberhaft“, „verwunschen“, wie in einem „Märchen“ ohne kitschig zu sein. Das hellblaue Samtkleidchen, das auch die Puppe Stefanie bekam, das Versteckspiel zwischen den Bäumen … Die verrückte erste Kollektion „Freiheit auf den Barrikaden“ mit echten Korsagen und Spitze aus dem 18. Jahrhundert.

Das Foto steht auf meiner Fensterbank vor dem Schreibtisch. Das Glas ist irgendwann bei einem der vielen Umzüge kaputtgegangen.

Sie schwärmt von meiner damaligen Kreativität, die so kompromisslos war, und ich halte dagegen, dass sie nur entstehen konnte, weil ich ihr und Roma immer beim Spielen zusah. Meine Phantasie verband sich mit ihrem Kindsein. Irgendwie waren wir damit auf Augenhöhe und das sollte bis heute so bleiben. Wir lernen gegenseitig voneinander.

Postkarte zum Jubiläum. Das Foto entstand im Herbst 2001.

Erinnerst Du Dich, als wir bei Harrods waren zur Order und ganz allein durch die Abteilungen liefen, die für die Besucher noch geschlossen waren? Nein, ich hatte es vergessen. Von Dir habe ich schon früh gelernt, wie man Verhandlungen führt. Toska grinst. Auch daran kann ich mich nicht so gut erinnern, es lief einfach irgendwie, intuitiv.

Outfit aus der Kollektion „Middle Ages“, 2007 (?)

Wir reisten zusammen, mal die eine, mal die andere dabei. Kuwait, Moskau, London, Paris oder Florenz. Seit Toska neun Jahre alt ist, trifft sie mit mir einvernehmlich die Entscheidungen für die Wahl der Stoffe und Zutaten. Ich folge ihr, sie folgt mir.

Toska auf der Stoffmesse in Paris am Stand von Lyria, Riccardo Bruni. 2005/6.

Am Ende spricht sie mir das vielleicht schönste Kompliment aus: Sie hatte immer das Gefühl, alles wäre möglich, wenn man nur will. Man braucht nahezu nichts, als einfach die Ideen in den Koffer packen und los. Dann steht sie auf, das Taxi wartet, es geht nach Berlin, dann in ein paar Tagen später nach Paris: „Du hast uns zu selbstbewussten Frauen gemacht.“

Toska in der Diamonds Kollektion, 2015.

Dabei war ich doch immer die Chaos-Mutter, weit entfernt von perfekt, die zu viel arbeitete, nicht kochen konnte und die Elternabende in der Schule lieber schwäntze. Es gibt etwas Wichtigeres, das hat uns über 20 Jahre Roma e Toska begleitet. Sie geht ihren eigenen Weg und ich gehe meinen, auf immer eng verbunden.