Ein wunderschöner eindringlicher Abend steht noch aus beschrieben zu werden. Am Dienstag vor einer Woche, fast scheint es eine Sylter Ewigkeit her zu sein, erklärte meine Tochter Roma „uns die Welt“. Der Titel greift unsere Gesprächsreihe von 2019 und den folgenden Jahren wieder auf. „Wer jung ist, soll nicht zögern zu philosophieren, und wer alt ist, soll nicht müde werden im Philosophieren“, schreibt Epikurs in einem Brief an seinen Freund. Roma und ich pflegen es seit wir miteinander denken können und nehmen die Gäste dabei mit. Dieses Mal geht es um Hannah Arendt und den zivilen Ungehorsam.
Roma skizziert in groben Zügen das Leben dieser großen Denkerin, die sich nicht Philosophin nennen wollte. 1906 in Hannover geboren, 1975 in New York gestorben. Sie studierte bei Martin Heidegger und Karl Jaspers. 1933 emigrierte sie nach Paris, wurde mehrfach inhaftiert, seit 1937 war sie staatenlos. 1940 konnte sie sich aus dem Internierungslager befreien und zusammen mit ihrem damaligen Mann in die USA flüchten. Sie arbeitete als Journalistin für den New Yorker und nahm in dessen Auftrag 1961 am Eichmann Prozess in Jerusalem teil. … Hier breche ich ab, damit wir mit ihrer Definition von Freiheit beginnen können, die nichts von ihrer Brisanz verloren hat.
Ruhig erzählt meine Tochter, und ich stelle Fragen, blättere in der Lektüre, als wolle ich selbst übernehmen und erklären. Aber halt! Lernen wir Älteren das Zuhören und lassen uns von den Jüngeren erklären, was Freiheit bedeutet. Hannah Arendt differenziert anders als Kant, der ohne Einschränkungen das moralische Handeln zur Pflicht erklärte (bis in den Tod). Was in der Theorie gilt, verändert sich in der Realität. Nur wer frei ist, besitzt auch die Freiheit, die eigene Stimme zu erheben. Damit nimmt Hannah Arendt jene in Schutz, die um ihr Leben fürchten müssten, wenn sie aufbegehren.
Wo beginnt der zivile Ungehorsam? Nach Arendt hat er seinen Urspung im eigenständigen Denken. Wenn wir nicht denken, können wir uns keine Meinung bilden, können nicht unterscheiden in Recht und Unrecht. Wie klar es aus dem Mund meiner Tochter kommt, wie selbstbewusst. Ich wünschte, es säßen noch mehr junge Zuhörer*innen zwischen uns. Denken hilft! Egal, wie alt wir sind.
„Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen“ mahnt Hannah Arendt eindringlich und bezieht sich dabei erneut auf Kant. Jeder ist sein eigener moralischer Gesetzgeber. Wenn uns etwas widerstrebt, wenn wir etwas als falsch und verwerflich bewerten, dann müssen (!) wir uns widersetzen. Passiv oder aktiv!
Während ich Roma lausche, merke ich meinen Pulsschlag, wie aufregend aktuell ist das Gesagte. Die Aufforderung zu rebellieren. NICHT MITMACHEN! Wir wünschen es uns für unser alltägliches und politisches Handeln.
Roma ist die Sachliche, beinahe akademisch in ihrem Diskurs, während ich die emotionalen Brücken schlage. Sylt im Sommer will sich amüsieren, und wir hier in dem kleinen Raum, dicht beieinander, kein Platz mehr frei, sind mit großem Ernst unterwegs. Wollt Ihr’s wissen, es macht mich glücklich, dass so etwas geht, dass so viele kamen und sichtlich begeistert sind, von der jungen Frau, die uns schildert, woran es nicht nur unserer, sondern zu jeder Zeit mangelt.
Das Böse ist banal. Es ist Hannah Arendts großes Postulat. Sie schreibt über Erfüllungsgehilfen im großen Apparat, über Familienväter und unauffällige Nachbarn. Es ist der Unwille, sich in das Leid der anderen Menschen hineinzuversetzen. So war es bei Eichmann, so war es bei Millionen von kleinen und großen Mittätern. Keiner hat etwas gewusst, keiner hat Schuld auf sich geladen. Sie hätten doch nur gehorcht.
Nach dem Krieg rief man: „Nie-wieder“. Und heute fragen wir uns angesichts gefährlicher Machtfülle und politischer Willkür, wie kann das nur sein?
In Ausnahmezeiten sind, moralisch gesehen, die einzigen zuverlässigen Menschen jene, die sagen „Ich kann nicht“. (Hannah Arendt, Über das Böse)
Nach dem Gespräch ging es weiter in kleinen Runden. Roma hatte ein köstliches Antipasti vorbereitet, dazu gab es Wein und Prosecco. Einige standen draußen im Garten oder saßen im Strandkorb, es hatte aufgehört zu regnen. Neue Bekanntschaften wurde geknüpft und lebhaft über Hannah Arendt und unser Heute diskutiert. Das ist die Idee von Salon, die uns Tochter-und-Mutter verbindet.
Weiter geht es am Dienstag, den 19. August 2025, 18:00 Uhr, Töchter erklären Müttern die Welt: Machivalli und dem Gehorsam. Dazu gibt es wieder Fingerfood à la Roma (Eintritt € 30, Voranmeldung unter info@romaetoska.de). Und Felix Jud Cottage wird uns erneut mit der entsprechenden Literatur ausstatten.
Als Geschenk zu jeder Bestellung (bis zum 10.8.2025) gibt es das kleine wichtige Büchlein: Hannah Arendt, Die Freiheit frei zu sein.
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