Es ist 4:20 Uhr, viel zu früh zum Aufstehen, aber es geht heute von der Insel nach Hamburg mit vollem Programm. Ich habe mir den Wecker extra fünf Minuten früher gestellt, um ausgiebig zu duschen, wach zu werden mit dem warmen Wasser, das auf meinen Kopf rieselt, schier endlos! Den Luxus weiß ich wohl zu schätzen und dennoch habe mit meinem westlichen Wohlstandsdenken keine Ahnung, was er bedeutet. Im Zug lese ich erneut den Artikel von Christian Rommel, Abenteurer, der über 130 Länder bereiste, den er für uns vor ein paar Wochen in diesem heißen trockenen Sommer der erneuten Extreme geschrieben hat.

Sylt Hamburg

Lochuls Traum von Christian Rommel

39 Grad, Hitzerekord in Deutschland. Jetzt eine erfrischende Dusche. Herrlich, wie das kalte Wasser auf meinen Körper prasselt. Nach wenigen Minuten sind 50 Liter reines Trinkwasser in bester Qualität auf Nimmerwiedersehen im Abfluss verschwunden.

Christian Rommel Uganda

Ortswechsel, immer noch 39 Grad, aber 6.000 Kilometer südlich. Meine Expedition führte mich in das Herz der Sub-Sahara, um den Geheimnissen des schwarzen Kontinents nachzuspüren. Doch im trockenen Nordosten Ugandas unternahmen wir keine grandiosen Safaris, fotografierten keine spektakulären Landschaften und suchten keine herausfordernden Abenteuer in der Wildnis. In dieser isolierten und schwer zugänglichen Region besuchten wir das halbnomadische Hirtenvolk der Karamojong, deren karges Leben geprägt ist vom Mangel an Wasser.

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Dort eröffnete sich uns ein anderes Bild jenseits ihres Rufs als gewalttätige, unzivilisierte, gefährliche Krieger, die im unsicheren Busch- und Grenzland nur ihre eigenen Gesetze befolgen. Es war eine beeindruckende Reise zu Menschen, denen das Grundbedürfnis des Lebens zunehmend abhanden kommt: Wasser. Die Dankbarkeit für unsere 50 Liter Wasser als Gastgeschenk spiegelte sich in aller Augen wider. Vor allem in den Gesichtern der Kinder, die von einer unbeschwerten Kindheit nur träumen können.

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Man beschreibt das notdürftig angepasste Leben der Karamojong am besten als einen Kampf ums Überleben. Das liegt einerseits an dem Fehlen jeglicher westlich-moderner Infrastruktur. Die Subregion Karamoja hinkt im Vergleich zum Rest des Landes in Bezug auf die Entwicklungsindikatoren erheblich hinterher, was Armut, Analphabetismus oder Kindersterblichkeit angeht. 79 % der Bevölkerung lebt unterhalb der extremen Armutsgrenze. Doch wie viele andere indigene Völker auch, werden die Karamojong in ihren Gesellschaften aufgrund ihres nomadenhaften Lebens oftmals wirtschaftlich und sozial marginalisiert und von der Regierung Ugandas ignoriert.

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Für uns kaum vorstellbar sind die gravierenden Probleme der Karamojong durch immerwährende Konflikte mit benachbarten Stämmen, wie zum Beispiel den Turkana in Kenia, die mit Kalaschnikows bewaffnet die Grenze passieren und oft ganze Herden von Vieh stehlen. Dazu kommen Terrorisierungen der Rebellen im Süd-Sudan und nicht zuletzt die unfassbaren Heimsuchungen der Soldaten des Kriegsverbrechers Joseph Kony, die – vom Kongo kommend – regelmäßig die Dörfer der Karamojong überfallen, die Erwachsenen massakrieren, die Kinder entführen und für ihre Dschungelarmee, die Lord’s Resistance Army, zwangsrekrutieren.

Christian Rommel Uganda

Der Alltag der Hirten mit ihrer rudimentären Rinder-Viehzucht, die sie in Dürrezeiten ansatzweise vor sich wiederholenden Ernährungskrisen schützt, ist geprägt von schweren Auseinandersetzungen und existenzbedrohenden Konflikten um die wenigen Wasserstellen in Karamoja. Der fehlende Zugang zu ausreichend sauberem Trinkwasser ist ein immer wiederkehrender Punkt in allen Gesprächen.

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Nakai Korobe und ihr neunjähriger Sohn Lochul aus Kitgum haben drei Optionen, um ihren täglichen Wasserbedarf zu decken. Sie holen es kostenlos von einem verschmutzten Teich, der sich nur zur Regenzeit füllt, gegen Bezahlung vom nahen öffentlichen Wasserhahn, der leider nur saisonal betrieben wird, oder von einer weit entfernten Wasserstelle. Da Lochuls Mutter ihrer bitterarmen Familie das Infektionsrisiko durch Verschmutzungen ersparen will und für das Bezahlen des Wassers kein Geld vorhanden ist, bleibt nur das Wasserloch.

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Nakai zeigt ihrem Sohn den Weg und um langes Anstehen zu vermeiden, gehen die beiden schon in der Dunkelheit los. Hin- und Rückweg dauern jeweils 40 Minuten; 15 Minuten benötigt man, um den 20 Liter Kanister zu füllen, das ganze zwei Mal am Tag. Demnächst wird Lochul den weiten Weg allein gehen müssen, auf dem Rückweg einen 20 Liter Kanister durch die heiße trockene Savanne schleppend. Genau so sieht Lochuls zukünftiger Tagesablauf für die nächsten Jahre aus.

Christian Rommel Uganda

Unser blauer Planet: Von den etwa 1,6 Milliarden Kubikkilometern Wasser, die sich auf dem Planeten Erde befinden, sind nur 35 Millionen Kubikkilometer Süßwasser. Das sind gerade mal 2,5 %. Dabei ist Wasser unser wichtigstes Lebensmittel. Seit 2010 gibt es sogar das Menschenrecht auf den Zugang zu sauberem Trinkwasser. Doch nach neuesten Schätzungen von UNICEF sind 660 bis 840 Millionen Menschen davon ausgeschlossen und etwa 4 Milliarden Menschen bzw. zwei Drittel der Weltbevölkerung haben mindestens einen Monat im Jahr nicht ausreichend Wasser zu Verfügung, sodass sie unter schwerer Wasserknappheit leiden.

Absense of water 1Laut UN entspricht mein Drei-Minuten-Duschzeit-Wasser genau der Menge, die eine Person täglich benötigt, um Essen zuzubereiten, genug für Hygiene zu haben, um Krankheiten zu vermeiden und um die persönliche Leistungsfähigkeit zu erhalten.

Lochul träumt davon, eines Tages zur Schule gehen zu können und nicht nur zum Wasserloch laufen zu müssen. Dafür benötigt man einem Brunnen direkt in seinem Dorf. Er sollte mit einer einfachen, robusten Handpumpe ausgerüstet sein, damit er leicht zu bedienen und zu warten ist. Hier muss schnell und pragmatisch gehandelt werden, denn es gibt sehr viele Lochuls auf dieser Welt, die unsere Hilfe dringend benötigen. ENDE.

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Die Reise nach Uganda fand 2013 statt, da war Lochul neun Jahre alt. Nun ist er 15, ein Teenager. Wie sieht sein Alltag aus, wie geht es seinem Dorf? Gibt es endlich einen Brunnen oder sollten wir ihn mithelfen zu bauen? Mind the Date: Zeitenwende Vortrag von Christian Rommel am Freitag, den 20. September, 19.00 Uhr in der MILCHSTRASSE 11.