Nicht schon wieder könnte man einwenden, habe ich doch schon ein paarmal über die außergewöhnlichen Kissen von Rags2Riches Design aus Brooklyn/New York berichtet. Und doch muss ich noch einmal Schreiben – vom gestrigen Abend: Ein Set-up wie schon viele Male zuvor in dem Concept Store MILCHSTRASSE 11: Kaminfeuer, Wein, Prosecco, etwas Kleines zu Essen … aber dieses Mal war es anders und das nicht nur, weil überall die wunderschönen Kissen aus alten Sackleinen lagen, sondern weil Sabine Anton erzählte und erzählte und erzählte, so intensiv wie eine Freundin den Freundinnen ihr Leben schildert. Der Launch ihres Labels „Rags2Riches Design“ wurde zu einem Storytelling über ein faszinierendes Leben und eine fesselnde Design-Idee, mit vielen Wendungen und Hindernissen, von der Inhaftierung in Bautzen II, der Ausbürgerung, wie man mit nichts durchstartet, sich ausbremst, wie die Liebe einen hierhin und dorthin zieht …
Das Feuer prasselt und die Frauen lauschen weiter gebannt, dazwischen ein paar Lacher: „Es ist echt gar nicht so einfach interessante alte Säcke zu finden!“ – „Besonders die deutschen Säcke sind schmutzig und müssen erstmal auf der Terrasse geschrubbt werden …“ Diese schlüpfrige Doppeldeutigkeit entgeht Sabine, sie ist in ihrem Element! Sie berichtet, wie sie geradezu süchtig ist auf der Suche nach den bis zu 200 Jahre alten Lagersäcken aus Baumwolle oder Leinen, in denen Reis, Mehl oder Geld transportiert wurde. Sie beschreibt den Prozess vom verdreckten Fundstück, den großen Töpfen in der Küche, in denen sie gereinigt werden, bevor sie überhaupt in die Waschmaschine dürfen. Flicken werden sorgfältig aufgetrennt und später wieder neu eingenäht. Jedes Handtag beschreibt das jeweilige Unikat …
Manchmal verfolgt sie sogar die Geschichte von Namen, die auf den Säcken stehen, findet heraus was eine „Hof-Göre“ ist und dass die Campbell Soup Dosen Laundry-Säcke früher ein Geschenk an die guten Kunden waren. Das Pferd ist von dem früheren Besitzer mit der Hand darauf gemalt, der RYVITA Sack aus England 1941 war riesig und teurer als sein Inhalt … und die Geldsäcke sollten wieder an die Federal Reserve Bank geschickt werden. Wie eng, ja beinahe liebevolle die Menschen in früheren Zeiten mit ihrer Wertschöpfungskette verbunden waren. Längst hat Plastik das aufwendig in Heimarbeit hergestellte Material ersetzt und keiner verschwendet mehr einen Gedanken an „personalisiert“, „verziert“, „verschönt“.
Ich habe endlich verstanden: ein Kissen ist nicht ein Kissen, es ist ein Relikt aus einer Zeit, die es nicht mehr gibt. Der alte Nutzen ist verloren, der neue wartet auf seine Käufer! Der Kreislauf schließt sich für Sabine Anton, die schon als junges Mädchen aus Alt-macht-Neu schuf, aus Not, aus Mangel an Schönem, aus purer Lust an der Kreativität. – Exklusiv in der MILCHSTRASSE 11 in Hamburg und ab Biike Brennen in Kampen auf Sylt … und wir verschicken auch gern.
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