Tag 13 meiner Reise: Die brave Lok von PeruRail schnaubt sich den Anstieg hoch zurück nach Ollantaytambo, knappe 500mts. Höhenunterschied, bis Cusco werden es insgesamt 1.000 sein. In jeder dritten Kurve stößt sie eine beängstigende dunkle Rußwolke aus ihrem Schornstein und wird dabei so langsam, dass man nebenherlaufen könnte. Ich döse vor mich hin und denke, super, auch die Bahn hier hat ihre Verspätungen.

Zum Glück wartet der Bus weiter nach Cusco Als wir endlich ankommen ist es schon dunkel. Ein Fahrer holt mich ab zum Hotel und dort steht auch schon Rocia, die Frau, die mir die Schamanin Annette Lachmann empfohlen hatte: Wenn jemand alles weiß und kann, dann ist es Rocia.

Unbedingt müsse ich eine Ausstellung sehen, meint sie umgehend, und schon eilen wir die paar hundert Meter rüber zu dem Museo Máximo Laura und dem befreundeten Kurator. Müde? Natürlich, mir steckt noch Muchu Picchu 6:00 Uhr in den Knochen. Aber ich lasse mir nichts anmerken und versuche, diese beeindruckende Textilkunst zu begreifen. Máximo Lauras Werke wurden schon überall auf der Welt ausgestellt, nur nicht in Deutschland, wenn es ich richtig verstehe.

Wenig später sitzen wir zu zweit in einem kleinen Restaurant beisammen, sie trinkt einen Caipiriñia, ich ein Cusco Bier. Dann beginnt sie zu erzählen, wie sie jungen Frau hilft, die vergewaltigt und schwanger wurden. Fremde Männern, Verwandete, Vätern, die sich an 13-Jährigen, 14-Jährigen vergehen. Ich könne mir nicht vorstellen, was für Schicksale dahinter stehen. Die Mädchen kommen aus abgelegenen Dörfern, aus dem Dschungel, haben keine Schulabschlüsse, keine Perspektiven, nie erfahren, was unbeschwerte Freude sein kann.

Dann leitet sie über zu ihrem Herzensprojekt: “Pachamama”. Ein Lächeln geht über ihr Gesicht. Sie ist promovierte Biologin, und ein Freund hatte ihr 22 Hektar am Madre de Dios im Osten Perus geschenkt, Amazonas-Region und Gebiet der Machiguengas. Ich stutze, bin plötzlich hellwach. darüber hatte ich doch gerade gelesen. Die Erzählung von Mario Vargas Llosa “Der Geschichtenerzähler” handelt genau von diesem teilweise noch in völliger Abgeschiedenheit lebenden Volk:
Sie (die Machiguengas) “besitzen eine tiefe, subtile Kenntnis von Dingen, die wir vergessen haben. Die Beziehung zwischen Mensch und Natur, zum Beispiel. Zwischen Mensch und Baum, zwischen Mensch und Vogel, zwischen Mensch und Himmel. Und auch zwischen Mensch und Gott. Wir wissen nicht einmal, was es ist, diese Harmonie zwischen ihnen und den Dingen, weil wir sie für immer zerstört haben.”

Rocia möchte jungen Student*innen den Urwald erklären, altes indigenes Wissen mit neuem verbinden. Ich erzähle ihr von Robin Wall Kimmerer “Geflochtenes Süßgras”, die genau das Gleiche in den USA unternimmt, in den Ahornwäldern rund um die Großen Seen, dort wo ihr Stamm der Potowatami lebt. Fast bringt es mich zum Taumeln, wie die Eindrücke und Erlebnisse sich verweben. Ob ich ihr helfen könnte, auch in Deutschland Partner zu finden, Praktikant*innen, die hier eine Zeit lang verbringen wollen? Gewiss, ich werde es versuchen. Wenig später lerne ich in Lima auf einer Party Peter kennen, einen Anthropologen aus Iowa, USA, der sich mit den Baum-Menschen im Amazons beschäftigt. Wieder solch eine Koinzidenz.


Networking, darum geht auch auf meine Reise hier. Ich liebe es, und während ich zuhöre, bin ich schon am überlegen, wer alles sich begeistern könnte, damit Visionen Wirklichkeit werden. Fashion ist mein Klammer, und diese Begegnungen werden emotional in die zukünftige Kollektion mit einfließen.

Sonntag in Cusco, früh verlasse ich kurz das Hotel, ich glaube, es ist erst 5:00 Uhr. Nur wenige Schritte bis zum Platz vor der Kathedrale. Der Mond steht noch voll am Himmel. Was für ein Bild. Aber kalt ist es, und später wird es sogar ein wenig regnen. Schnell dreh ich wieder um, geh frühstücken und schreibe meinen Blog.


Blanca holt mich kurz nach 9:00 Uhr mit ihrem Fahrer ab, aber der alten Dame geht es nicht gut. Ich spüre es sofort, am liebsten wäre sie im Bett geblieben. Wir kürzen das Programm ab, Besuch im Sulza Textilmuseum (das Thema werde ich später zusammenfassend beschreiben) und Blick über die Stadt. Wir umarmen uns, adiós, schön auch mal allein durch die Straßen zu schlendern. Ich gebe zu, meine Outfits werden langsam langweilig, aber mich fröstelt und mein kleiner Reisekoffer gibt nicht mehr viel her.

Links und rechts die Mauern der Inka auf denen die Spanier ihre Stadt bauten.
Die Tür vom Compañia de Jesus steht offen, der Kirche, die nach der Eroberung durch die Spanier ab 1552 auf den Mauern des ehemaligen Palastes des Inka-Königs Huayna Cápac gebaut wurde. Sie soll schöner sein als die Kathedrale, die gleich gegenüber auf dem Platz steht. Leise hört man Orgelspiel und Chor.


Ich setze mich in eine der vorderen Reihe und betrachte den geschnitzten und vergoldeten Überfluss, das ganze Programm der himmlischen Scharen von Ornament umgeben. Vergeblich suche ich nach den versteckten Symbolen, die die Inka heimlich anbrachten, um diesen Ort mystisch umzudeuten.

Was für ein Land. Von Cusco geht alles aus, rief mir Annette noch zu, bevor ich mich von ihr in Hamburg für die Reise verabschiedete. Es war das spirituelle, administrative und machtpolitisches Zentrum. Jedoch die Pracht der katholischer Kirche und der spanischen Herrschern bergen in sich die Vernichtung der alten Kulturen.

Ich muss einfach wiederkommen, um die Stadt weiter zu erforschen, zu sehen, zu hinterfragen, die komplexe Historie, die Architektur und Sehenswürdigkeiten und genauso das bunte Treiben auf den Plätzen, der Duft der Straßen-Küchen, Mais, Kartoffeln, Huhn. Die Meerschweinchen spar ich auf mir für ein nächstes Mal. Auf zum Flughafen nach Lima, die letzten Station der Reise.


Wenn ich das jetzt hochlade, ist bei Euch tiefe Nacht. Keinesfalls ist es geschrieben für Schlaflose, morgen ist auch noch ein Tag.
-
MAGPIE ART COLLECTIVE CHAIR, BRAUN
€950,00 inkl. Mwst. -
PUFFARM BLUSE, ROSA
€398,00 inkl. Mwst.



Liebe Birgit,
ich war noch nie in Peru, aber Dein Reisebericht
mit den schönen Aufnahmen beeindruckt mich
sehr! Für mich war Peru gefühlt am Ende der
Welt, jetzt bekomme ich eine Idee von der Schönheit des Landes, der Freundlichkeit seiner Einwohner aber auch der Schattenseiten der Kolonalisierung durch die Spanier…. macht Freude Deine Reiseberichte zu lesen!😃
Wie schön, das macht mich glücklich. Es ist so unglaublich viel, was es weiterzugeben gilt! Warte ab, was Lima noch bereithält.