Sie ist mein drittenes Kind, ich bin ihre zweite Mutter. So hatten wir es damals verabredet, als Roma’s beste Freundin Sybilla sieben Jahre alt war. Ich erinnere noch zu gut, wie Katharina, ihre leibliche Mutter, tief Luft holte, wenn dieses wunderbare, begabte, ungewöhnliche, hyperaktive Kind bei uns über das Wochenende blieb.

Erste Winterkollektion 2002, Sybilla steht neben dem Pferd Rasputin, dem prächtigen Hengst aus dem Stall nebenan.

Sybilla ist Roma e Toska der ersten Stunde. An ihr konnte ich den Stresstest für die Modelle machen. Was bei ihr hielt, das hielt für ewig. Einmal flog sie von der Freitreppe direkt in den Keller, an anderes mal hangelte sie entlang der Gardinenstange und brach gleich Halterung und halbe Wand heraus.

Sie las Harry Potter mit sieben, und von ihr stammt der legendäre Spruch: Was soll ich anziehen, wenn es kein Roma e Toska mehr gibt.

Von links nach rechts: Sybilla (7), Roma (7), Toska (4).  In noch von mir genähten Teilen.

Nun ist sie 27 und trägt es immer noch. Es ist „ihre Geheimwafffe, wenn sie gutaussehen will“. Sie studiert „Public Administration“ in Heidelberg und wir sind per Zoom verabredet. Aus dem Entlein ist ein hübscher Schwan geworden. „Took me a while“, antworte sie auf mein Kompliment.

Ich spreche immer noch „Sybilla“ wie früher aus, mit diesen langen „Siiii“ und dem Peitschenschlag“billa“ hinterher. Sie trapazierte meine Nerven und faszinierte mich zugleich mit ihren bockigen Fragen und pausenlosen Bedenken im Gesicht. Für sie waren meine Anfänge „wie ein Abenteuer, dass war schon echt prägend, wie aus dem Nichts etwas entstand.“

Roma und Sybilla, Anfang 2020, sie sind immer noch beste Freundinnen.

„Roma e Toska ist für mich die Rüstung für die Welt“, sagt die sensible junge Frau, für die ich prognostiziere, dass sie die zukünftige Kanzlerin wird, oder auf jeden Fall die Welt rettet. Nein, sie korrigiert mich, „die Welt aufrechterhalten“, dann wäre schon viel erreicht. Sie ist als Zynikerin gestartet, besser wird es nicht, meint sie von sich selbst.

Meinen Optimismus konnte ich ihr nicht einhauchen, dafür etwas anderes. „Wie Du mit Rückschlängen umgegangen ist“, sie lächelt, „da war ja oft auch Pech dabei, das fand ich irgendwie überzeugend.“

Stimmt, darin war ich wirklich Weltmeister, denke dabei nur an „Journey to the Moon“, eine ihrer Lieblingskollektionen. War wie Apollo 13, zum Mond kamen sie nicht, aber trotzdem war es ein Erfolg. Ich schlüpfe schnell in Rock und Bluse aus dieser Zeit.

Wir sehen uns vor Weihnachten, ich verspreche ihr ein Roma e Toska Geschenk. „Da wär ich voll dafür“, sagt sie noch, dann klicke ich sie weg, mein drittes Töchterchen. Der Status gilt, forever!