Mein abendlicher Spaziergang auf Sylt führt mich entlang der sandigen Wege zwischen Meer und Watt. Die Luft ist herrlich erfrischend, der Wind streicht über die Gräser, die Wolken wechseln ihre Formationen. Man könnte es eine norddeutsche „Idylle“ nennen, gäbe es nicht die Gleichzeitigkeit von Dingen, die mir im Kopf herumschwirren. Und genau diese Parallelität fordere ich provokant heraus, indem ich ein Buch mit mir herumschleppe, das das, was ich sehe, konterkariert: Club of Rome: Der große Bericht „Wir sind dran„, 2018.
Ich bin auf Seite 91, springe aber immer wieder vor und zurück. Es geht um die Agenda 2030, die Umsetzung der SDGs (Nachhaltigkeitsziele) und um den sogenannten ökologischen Fussabdruck der Städte und Länder. Letzterer wird jährlich geschätzt von dem Global Footprint Network und misst die Fläche, die für die Erzeugung der von der Bevölkerung verbrauchten Waren und Dienstleistungen benötigt wird.
Bei dem ersten UN-Umweltgipfel 1972 in Stockholm prägte die damalige indische Premierministerin Indira Gandhi den Begriff „Armut ist der größte Verschmutzer“. So hat es sich sicherlich auch in unseren Köpfen festgesetzt. Aber es gilt schon lange das Gegenteil: „Wohlstand ist der größte Verschmutzer“.
Die reichsten drei Millionen US-Amerikaner verbrauchen ca. 318 Tonnen CO2-Emissionen pro Kopf und Jahr. Der Weltdurchschnitt beträgt 6 Tonnen. Ich markiere die Stelle mit einem Ausrufezeichen. Zahlen sind sonst nicht mein Ding. Und gleich auf der nächsten Seite (92) kommen weitere verblüffende Fakten hinzu: 1% der reichsten Amerikaner produziert 2,5% des weltweiten Treibhausgases. 10% der reichsten Haushalte der Welt sind verantwortlich für 45% der Gesamt-Treibhausgase-Emissionen.
Ich umkringele die Daten und versuche mir, mit den nachfolgenden Absätzen ein Bild von dem Ausmaß zu machen, was wir als hochentwickelte Zivilisationen verbrauchen. Erwähnt wird London (wir sprechen von 2018), das das 125-fache seiner Fläche benötigt, um seinen Lebensstandard zu bedienen, entspricht ungefähr einem Territorium von ganz England. Ihr ahnt, worauf es hinausläuft: viele Erden, um unsere eine zu versorgen. Gibt es aber nicht!
1800 existierte nur eine Stadt mit einer Million Einwohnern, das war London. Heute gibt es 470 Städte mit über einer Million Einwohnern und 34 Megacitys mit über zehn Millionen Menschen. In zwanzig Jahren prognostiziert man, dass 70% der Weltbevölkerung in Städten leben, die einen enormen ökologischen Fussabdruck besitzen.
„Können Städte hauptsächlich von regionalen anstatt globalen Ressourcen leben? Können sie so entworfen werden, dass sich die benötigten Ressourcen kontinuierlich regenerieren?“ (Club of Rome: Wir sind dran, Seite 76)
Eine spannende Frage. Ich habe keine Antwort darauf.
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