So unterschiedlich meine beiden Töchter sind, so verlief auch das Gespräch mit Roma (27) auf ganz andere Weise als mit Toska (24). Seit ein paar Tagen ist sie auf der Réunion, der französischen Insel im Indischen Ozean. Wir sind per Zoom verabredet. Als erstes zeigt sie mir die Bananen, die sie soeben vom Markt mitgebracht hat. Es ist 8:00 Uhr früh in Deutschland, 11:00 bei ihr.

20 Jahre Roma e Toska. Morgen ist das Jubiläum, wenn man es auf einen Tag festlegen möchte (Eintragung der Marke). Aber es begann viel früher, und auch der Übergang von meinen spielerischen Nähübungen zur ersten Kollektion war fließend.

Den Anfang machte eine zerlegte kleine Jeanshose von Roma, die ich zu einem Leopardenrock umgestaltete. Meine Tochter saß in Unterhose so lange daneben bis ich fertig war, zog das Teil die nächsten Tage und Nächte nicht mehr aus. Das war der Start … dazu ihr Gedicht.

Waterscape Bluse, Neckholder, SP € 250. Es gibt noch zwei in XS.

„L’habille fait le moine“, so überschreibt sie die Zeit. „Die Kleidung macht den Mönch.“ Roma e Toska wurde die Hülle für ihr Anderssein. Es besaß das Spielerische und unterstrich all die Facetten, die sie bis heute auslebt.

WOAM! Das ist Roma, erst wirkt sie beinahe verschlafen, erzählt von der Süße der Bananen, die wie Bonbons schmecken, und dann kommt ein Satz, der alles beschreibt, Sie und mich und die Anfänge von Roma e Toska: Dem Anderssein eine Hülle geben, der Einzigartigkeit des Mädchens eine Sprache jenseits von Mode verleihen.

Wenn sie an die ersten Jahre zurückdenkt, draußen von der Toren Hamburgs, dann fühlt es sich nach Freiheit an, nicht schon als Kind in eine Etikette gesteckt zu werden.

Ach, meine „alte Seele“. Wenn wir uns stritten habe ich ihr immer wütend entgegengeschleudert, dass sie mich ausgesucht hat und nicht ich sie – oder doch wir beide?! Ich passte meine kreativen Ideen ihren verwunschenen Phantasien an.

Und dann wurde Roma e Toska super schick und weniger verspielt, so fasst sie die Entwicklung der nächsten Jahre zusammen. Roma ging nach Berlin, dann nach Toulouse, studierte Philosophie. Wir veranstalteten die Vortragsreihe „Töchter erklären Müttern die Welt“, so wie sie es immer getan hat. Schon mit fünf belehrte sie mich vom Rücksitz im Auto, dass man nicht befreundet sein kann, wenn man sich liebt.

Wenn sie meine Modelle trug, so unnachahmlich schräg, wie nur Roma sie tragen konnte, dann war es immer Sie: begrenzt anpassbar. Nun ist sie unser „Archiv“. Sie besitzt fast alles, was ich jemals entworfen habe. Sämtliche Blusen sind mit auf die Reise gegangen.

Gestern gab es eine Party und sie trug den Bastrock aus der Hawaii-Kollektion (2003?). Er passte nicht mehr über die Hüften, aber über den Kopf konnte sie noch hineinschlüpfen.

Roma trägt ein Kleid aus der „Journey to the Moon“ Kollektion (2013), dazu den selbstgebastelten Hut aus den Todesanzeigen der Süddeutschen Zeitung.

Dann ist unsere Zeit vorüber, sie will an den Strand und ich an dem meinen. Das Wasser fließt doch überall auf der Erde vorbei mit seinen Erinnerungen und seinen Botschaften, auch wenn uns nun 9.558 km trennen.

Wir teilen den unbändigen Spaß an unseren Extravaganzen, die uns ausmachen. Roma e Toska beliefert uns mit den entsprechenden „Ummantelungen“, mit jeder neuen Edition.