Gestern habe ich mit der Objekt- und Metall-Künstlerin Philine-Johanna Kempf ein kleines Fotoshooting gemacht, in Roma e Toska. So wie ihre tragbare Kunst einen verändert und einen neuen Dialog herstellt, so ist es auch in der Mode, wenn sie zu der Trägerin passt, ähnlich stark ist im Wechselspiel, und im besten Sinne, die Persönlichkeit unterstützt. 

Philine-Johanna

Neben dem Fotoshooting soll es ein kleines Interview geben, nach dem Frühstück, nach dem Bad im Meer. Die Fragen gibt es schon, die Antworten dazu kommen nachher.

Philine-Johanna Kempf

BT: Was interessiert Dich an dem Zwischenbereich von Kunst und Schmuck? – PJ: Ich empfinde diese Form, die ich gewählt habe als tragbare Kunst und als schmückendes Element, als Kunst, da die Oberfläche, die Materialien wie ein Bild zusammengesetzt sind und wie in der Malerei von der zweiten in die dritte Dimension führen. Es gibt keine Trennung. Die passiert nur in den Köpfen.

Philine-Johanna Kempf

BT: Was ist für Dich Kunst? – PJ: (lacht) Kunst ist alles, was ich von klein auf an ohne Wissen, ohne Beschreibung bereits sehen und erleben durfte in den großen Kunsthallen. Sprich, Erfahrung im Bildhaften durch Picasso, Beckmann, Miro. Diese drei waren die ersten, da war drei Jahre alt, Kunsthalle in Hamburg. Kunst war immer eine Selbstverständlichkeit ohne nach Begrifflichkeit zu fragen, da es in unserer Familie manifestiert war, sprich gelebt war wie die tägliche Nahrungsaufnahme. Da stellt sich als Kind nicht die Frage, Du wächst hinein und lebst diesen Prozess mit Dir selbst – einheitlich. Als Heranwachsende im Studium wurden Techniken nur als Mittel zum Zweck für mich relevant, um weiterhin diese Freiheit in mir selber leben, ausleben zu dürfen, um anderen Menschen auch ein Stück abgeben zu können. In der Kunst fragt es sich niemals, ob es richtig oder falsch ist, ob es gefällt oder sogar in Ablehnung tritt. Ich glaube, die Treue zu sich selber ist der Kern, um alles das, was in einem ruht, ausdrücken zu können. So ist Kunst u.a. Philosophie, Psychologie, natürlich die Technik und ein großes Gefühl in Anbindung an das Göttliche.

Philine-Johanna Kempf

BT: Du bist ein temperamentvoller Mensch, wie schaffst Du die kontemplative Ruhe? – PJ: In dem Moment, wenn ich anfange zu arbeiten, bin ich in einem anderen Energiezustand, der sich von außen schwer erklären lässt. Aber ich fühle einen Teil in mir, der aus einer anderen Energiequelle geführt und genährt wird. Dieses Schaffen ist die höchste Form von Meditation, Spiritualität, in einem Ausdruck, den man vorher gar nicht beschreiben kann, sondern der im Machen entsteht. 

Philine-Johanna Kempf

BT: Welches ist Dein Vokabular für die Kreativität, das Du mit Dir trägst? – PJ: Es sind die Zufälle, die mich schon als Kind ausgezeichnet haben in dem ich Sammler war und teils immer noch bin. Das Sammeln von Naturprodukten, die viele gar nicht mehr wahrnehmen. Auf den Felder alte Scherben und Pfeilspitzen, so fing es an in Norddeutschland, dabei waren keltische Scherben. Später gab es Teile von Keramiken aus römisch-griechischer Zeit. In Südamerika. Perlen, Werkzeuge sogar. Bis zu hingeworfenen Verschlüssen, Blechen, Deckeln von CocaCola Flaschen, Böden von Metallgefäßen, die plattgedrückt im Sand eine eigene Patina entwickelten. Dazu gehören auch tierische und menschliche Knochen, Zeichen eines Kreislaufes mit der Frage nach der Vergänglichkeit und dem, was unser Anspruch an das Leben heute bedeuten könnte. 

Philine-Johanna Kempf

BT: Wie erlebst Du Einsamkeit? – PJ: Das ist eine ganz elementare Frage. Eine ganz elementare Frage. Bei aller Offenheit zum Leben und zu den Menschen, zur Natur, zu allem was einfach um uns greifbar zu sein scheint, benötige ich das Zurückgezogen-sein, um die Impulse in mir ausdrücken zu können, ohne Störung. Wenn ich ab-und-zu Tage und sogar Wochen lang mich zurückziehe, muss ich aufpassen, damit diese Welt mir noch gefällt, ich nicht den Anschluss zu Menschen verliere, die ich liebe und schätze, sie nicht vergesse. Dann wache ich auf und habe eine starke Sehnsucht, wieder hinaus zu treten, um als das, was ich bin gesehen zu werden. 

Philine-Johanna Kempf

BT: Was treibt Dich an? – PJ: Da haben wir sofort den Ansatzpunkt zu dieser Einsamkeit. Ganz tief in der Seele habe ich mich von Beginn meines bewussten Denkens an einsam gefühlt, das bedeutet aber auch Eins-sein mit dem Göttlichen. Was ich nicht erklären konnte, als ich klein war. Sehr, sehr langsam durch das Geschenk dieser Arbeit habe ich begreifen dürfen, dass ich diene als ein Instrument für das, was ich tue und was ich bin. 

Philine Johanna Kempf

BT: Was fasziniert Dich? – PJ: Du! – Als großes Beispiel, was mich fasziniert, dass ich hier mit Dir sein kann und das das Lebendige und das Jetzt demonstriert, dass hier ein sehr besonderer kreativer Mensch ist mit sehr viel Ebenen, die die meisten Menschen gar nicht so schnell erfassen können, und wo ich das Gefühl habe, mich anknüpfen zu können, ohne mich verstecken zu müssen. Zwei Frauen, die außer Konkurrenz stehen, dass meine ich ernst, sehr ernst. Das bedeutet für mich, es ist eine solche Selbstverständlichkeit, wie sich unsere beiden Welten miteinander vermählen. 

Philine-Johanna Kempf

BT: Wie beschreibst Du „Schönheit“? – PJ: Oh, das ist auch so eine wichtige Frage. Schönheit ist für mich eine Form von Ästhetik, die sich einmal bereits im Natürlichen der Natur zeigt, da alles dort schön ist, ohne wenn-und-aber. Kann jetzt ketzerisch klingen, da wir wissen, dass die Natur auch Metamorphosen hervorbringt, in unseren Augen Verunstaltungen, da wir das Sehen im Ganzen nicht mehr gewöhnt sind, wenn das Außergewöhnliche vor uns steht. So ist die Schönheit eines Menschen aus der Seele geboren und zeigt sich im Körper, in der Sprache, auch in dem, was er nicht kann und da könnte es sogar unsere Aufgabe sein, zu begleiten und Dinge so zusammen zu fügen, dass sich der Menschen sicher und wohl fühlt. Und das, was vielleicht durch eine körperliche Disharmonie oder Verletzung, die das Außen mit sich gebracht hat, was auch immer, wir den Menschen anschauen dürfen, ihn zulassen und wir mit dem offenen Blick zeigen dürfen, dass auch das Fremde schön sei. Eine Herausforderung.

Philine Johanna Kempf

BT: Wie sieht Dein Bild von der Zukunft aus? – PJ: Oh, das ist eine Frage!? Ich lerne gerade, möglichst wenig an die Zukunft zu denken, mich nicht mehr so weit aus dem Fenster zu lehnen, weil ich es nicht steuern kann. Was ich steuern kann, mit meinen guten Gedanken und Gefühlen, das sind, sagen wir mal kurze Zeitabschnitte, aber ich bin nicht in der Lage, 20 Jahre später mit mir mein Leben vorzustellen. Nicht mehr! Ich hatte es, ich war 100%ig sicher, wie ungefähr mein 3. Lebensabschnitt sein sollte. Das einzige, was ich wirklich weiß, ist, solange ich mit meinen Händen arbeiten darf, mein Geist gesund und wach ist, werde ich kreativ sein und bleiben. 

Philine-Johanna Kempf

BT: Welche Frage würdest Du Dir stellen? Nur eine! – PJ: Ist es ausreichend, was ich zu geben habe?

Philine-Johanna Kempf

Heute und morgen ist Philine-Johanna Kempf ab 11.00 Uhr bei Roma e Toska in Kampen mit ihrer Auswahl an getragener Kunst. Ab 16.00 Uhr dann die offizielle Vernissage mit Drinks und Snacks. Das Wetter spielt mit, versprochen.

Philine-Johanna Kempf

Philine-Johanna Kempf, geboren 1954 in Bremerhaven, studierte Metall-Kunst und bewegt sich im Grenzbereich zwischen Kunst und angewandter Kunst, zwischen Schmuck und Objekt. Wohnsitz in Berlin und auf Mallorca, Internationale Ausstellungen und Auszeichnen.