Als erstes überrascht der Name, während man sich gegen den Sturm stemmt: „Ylenia“, so heißt das Orkantief, das gerade über Deutschland braust. Die „Schöne“, „Strahlende“, „Leuchtende“, verbreitet als Mädchenname vor allem in Osteuropa, das uns seit Wochen besorgt in Atem hält. Nun vertreibt die „Sonnenhafte“ die Gäste und macht Sylt zur echten Insel. Keiner kann rauf, keiner kann runter.
Als hätte ich es geahnt, betitelte ich meine kleine Kolumne in Sylt Life zu Biike (21.2.2022) mit „Wunderbare Isolation“: Die Engländer nannten es „Splendid Isolation“, wenn sie von sich sprachen, besonders in „troublesome days“ (unangenehmen Tagen)… Wir unterhalten uns mit uns selbst, mit dem Hund oder schweigen … Splendid!
Gleich einer „Strand-Archäologin“ examiniere ich das angeschwemmte Gut, ein paar Plastikkanister, eine Europalette, eine Apfelsine und unzählige zerfetzte Taue, die sich malerisch in den Sand gegraben haben.
Ich stelle mir vor, wie die Sylter in den vergangenen Jahrhunderten bei Wind und Wetter am Meer lauerten, welche Schiffe und Teile an Land spühlt würden. Alles gehörte den Findern, so das alte Strandrecht (Jus litoris oder auch Jus naufragii), das weit in das Brauchtum vorchristlicher Zeit zurückreichte.
Abraham Hulck (1803 – 1897), Holland.
Erst 1990 wurde das Gesetz durch den Artikel 35 aufgehoben. Es gilt seitdem das „Fundrecht“, d.h. Strandgut ist erst dann „herrenlos“ und kann mit nach Hause genommen werden, wenn kein Eigentümer Besitzansprüche angemeldet hat.
Und so nimmt es nicht Wunder, dass ich mit den Hunden allein bleibe. Kurz überlege ich, ob ich das dicke Schiffstau mitschleppe als Dekoration im Kapitänshaus. Aber dann ich es mir doch zu schwer. Ich bin eben keine Strandräuberin mehr. Schade ein wenig.
Ich gehe weiter, denke an die Jahrhunderte zuvor und an die Wohlstandserrungenschaften von heute. Man könnte Theodor Storm zitieren oder dem Heimatmuseum in Keitum einen Besuch abstatten, wo viele Seestücke von den Stürmen am Meer erzählen. Aber es zieht mich zurück an den Schreibtisch mit flackernder Kerze davor.
Die Bilder von Christian Peter Hansen (1803 – 1879) befinden sich im Heimatmuseum in Keitum.
Roma e Toska hat täglich geöffnet von 12 – 17 Uhr, Alte Dorfstrasse 2 in Kampen auf Sylt. Insulaner erhalten Sonderrabatte und all die anderen können mit mir über Strandgut-Rechte feilschen.
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