Kampen auf Sylt ist mit Sicherheit nicht nur einer der schönsten Orte auf der Welt, sondern auch einer der ungewöhnlichsten. Warum? Weil man hier auf kleinstem Fleck so besondere Menschen treffen kann. Gestern waren wir zu einem privaten Sommerfest eingeladen. Auf solchen Events plaudert man normaler Weise über das Wetter (Sonne, Sonne, Sonne), begutachtet die Outfits der anderen, trinkt den Champagner und nascht am erlesenen Büffet. Aber nein, nicht dieses Mal. Der Gastgeber gab gleich vor, dass er einen tiefgründigeren Austausch wünscht über die Politik, über die großen Fragen, die uns berühren, über Brexit & Co. Und so standen wir irgendwann alle gemeinsam bei untergehenden Sonne und sangen lauthals Beethovens „Ode an die Freude“ mit den vier Strophen von Friedrich Schiller, 1785 am Vorabend der Französischen Revolution geschrieben. Ein Lied auf Europa …
Mittendrin Roma (23), die gerade die französische Staatsbürgerschaft beantragt hat. Im Blütentütü, behängt mit Ketten stand sie zwischen den Herren und erklärte ihnen die Welt, Macron und Trump, die neue Twittersprache … Kein „Mansplaining“, wie es neu-englisch heißt, sondern ein typisches „Romasplaining“.
Ich hielt mich derweil mit komplex-philosophischen Gedanken im Hintergrund und gab mich der Atmosphäre von Abend, Himmel, spielenden Kindern und Hunden sowie dem Anblick der versprengt sitzenden und stehenden Gesprächsrunden hin – ein Sommerfest wie ich es liebe!
Singt das „Freude schöner Götterfunken“ doch auch einmal, ganz laut, am Strand, in den Dünen, auf dem Fahrrad … Es befreit, berührt und öffnet die Arme, die Augen und Ohren für ein Miteinander.
LIEDTEXT
Freude, schöner Götterfunken,
Tochter aus Elysium,
wir betreten feuertrunken,
Himmlische, dein Heiligtum.
Deine Zauber binden wieder,
was die Mode streng geteilt,
alle Menschen werden Brüder,
wo dein sanfter Flügel weilt.
Seid umschlungen Millionen!
Seid umschlungen Millionen!
Diesen Kuß der ganzen Welt.
Brüder überm Sternenzelt
muß ein lieber Vater wohnen.
Wem der große Wurf gelungen,
eines Freundes Freund zu sein,
wer ein holdes Weib errungen,
mische seinen Jubel ein!
Ja, wer auch nur eine Seele,
sein nennt auf dem Erdenrund,
und wer’s nie gekonnt, der stehle
weinend sich aus diesem Bund.
Was den großen Ring bewohnet,
huldige der Sympathie!
Zu den Sternen leitet sie,
wo der Unbekannte thronet.
Freude trinken alle Wesen
an den Brüsten der Natur,
alle Guten, alle Bösen,
folgen ihrer Rosenspur.
Küsse gab sie uns und Reben,
einen Freund, geprüft im Tod;
Wollust ward dem Wurm gegeben
und der Cherub steht vor Gott.
Ihr stürzt nieder, Millionen?
Ahnest du den Schöpfer, Welt?
Such ihn überm Sternenzelt,
über Sternen muß er wohnen.
Freude heißt die starke Feder
in der ewigen Natur,
Freude, Freude treibt die Räder
in der großen Weltenuhr.
Blumen lockt sie aus den Keimen,
Sonnen aus dem Firmament,
Sphären rollt sie in den Räumen,
die des Sehers Rohr nicht kennt.
Froh, wie seine Sonnen fliegen
durch des Himmels prächt’gen Plan,
laufet, Brüder, eure Bahn,
freudig wie ein Held zum Siegen.
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