Es ist schon eine ganze Weile her, dass ich aus dem Zug berichtet habe. Wahrscheinlich liegt es daran, dass sich eine Leserin aufregte, es würde sie entsätzlich langweilen, immer Geschichten von diesem Hin-und-Her zu lesen. Sie hat sich abgemeldet. Schade. Aber nun gäbe es etwas, das eine neuerliche Randnotiz aus der Bahn rechtfertigen könnte.

Ich meine nicht den etwas angetrunkenen Kerl, der in der Tür steht, was zur technischen Blockade führt. Ich ranze ihn an. Er meint, er bräuchte Frischluft. „Dann soll er ganz aussteigen, ich will rechtzeitig ankommen“, erwidere ich unfreundlich. Die Abfahrt verzögert sich um fünf Minuten.

Ganz anders erregt jedoch eine junge Frau meine Neugierde. Sie sitzt ein paar Reihen vor mir. Ich kann sie nicht erkennen, die Rückenpolster verdecken mir die Sicht. Aber ihre Stimme klingt angenehm, wenn auch jetzt ein wenig ungehalten. Soeben hatte der Schaffner verkündet, dass ein Baum zwischen Pinneberg und Elmshorn auf die Schienen gefallen ist. Weiterfahrt ungewiss, eingleisig werden die Züge an der Stelle vorbeigeleitet.

„Warum sitze ich immer in dem Zug, der unwichtig ist“,

sagt sie mit einer nicht überhörbaren Frustration in der Stimme zu einem Menschen am anderen Ende der Handy-Verbindung. Ich amüsiere mich und schaue aus dem Fenster, was für ein Satz!

Wie muss ich mir die Person vorstellen, die so etwas sagt? Weiblich, ledig, ungeliebt? Ist sie hübsch, hat sie ein sympathisches Lächeln oder ist sie eine graue Maus, die sich übersehen fühlt? So eine Ausage reicht tief, scheint beinahe wie eine Lebensüberschrift. Und wem sagt sie es, einer Freundin, ihrem Partner? Es könnte sich ein Roman daraus entwickeln.

Wir sind durch den Engpass durch, Elmshorn liegt hinter uns, es gießt, ich habe es gemütlich. 20 min. Verspätung. Mag sein, wir waren sogar die ersten, die vorbeigewinkt wurden. Ich habe es nicht kontrolliert, war abgelenkt mit meinen Fotos. Die Unbekannte vor mir ist verstummt. Vergeblich recke ich meinen Hals, um sie zu erspähen. Vielleicht ist sie in Elmshorn ausgestiegen. Da komm ich her, da kann man leicht das Gefühl haben, in den unwichtigen Züge zu stecken.

Der neben mir auf der andere Seite des Ganges tippt auf seinem Handy, vor ihm die Dose Carlsberg in XL. Schräg rechts von mir versucht jemand vornübergebeut zu schlafen. Eine gewisse Gleichmut macht sich breit. Die Grundsatzfrage, ob wir nun in dem wichtigen oder dem weniger wichtigen Zug sitzen, hat sich erledigt, es geht voran.

Häuser fliegen vorbei, Bäume, Büsche, Wiesen. Ist doch schön, so eine Zugfahrt, ich mag diese saftige nordeutsche Landschaft. Irgendwann kommt man an. Das ist die Hauptsache.

Unser IT’A A DIENSTAG in Hamburg macht Sommerpause, aber die Poolstrasse 30 bleibt geöffnet, Carmen ist dort. Für mich geht es nun auf der Insel weiter. Freu mich auf „It’s a Sommer“ oder wie auch immer wir es nennen wollen, was in den nächsten Wochen alles ansteht. Die Sonne scheint wieder.