Es ist Dienstag, der sich eher wie ein Montag anfühlt. Das Internet ist aus irgendwelchen Gründen zusammengebrochen, vor der Haustür brummt die Rohrsanierung, die Bügelanlage zischt und droht zu explodieren. Melle näht trotzdem unverdrossen unten an dem Proto für die neue Basic Bluse: Bonnard mit den Karostreifen. Schön wird sie, aber viel ist noch nicht zu erkennen.
Im Erzgebirge stapeln sich die Aufträge, jeder wartete auf Stoffe, jeder will nun der erste sein in der Produktion. Ich versuche es mit sanftem Drängeln und zuckersüßen Schmeicheleinheiten. Und nun auch noch mein „Wort zum Sonntag“.
Rechts das Croissant, links der Kaffee mit der Zeitung. Wie ich gestern im Gespräch feststellte, bin ich nicht die einzige, die intensiv die Todesanzeigen in der Süddeutschen Zeitung studiert, zwischen Wirtschaft und Sport, gleich neben den Börsendaten.
Ist es nicht merkwürdig, wie sich das Leben zerbröselt mit gleichförmingen Sätzen, die so gar nichts preisgeben von demjenigen, der gerade verstorben ist: Wir bedauern, der Verlust, unsere geliebte …, der von uns geschätzte … Dazu mal ein Gedicht, eine Blume oder ein Engel, machmal ein Foto, dann die Lebensdaten, die ich ebenfalls sorgfältig zur Kenntnis nehme.
Roma bastelte sich mit 16 Jahren einen Sonnenhut aus der Todesanzeigen-Seite der Süddeutschen. Ein Zufall.
Meine Spaziergängerin und ich würden uns gern etwas anderes wünschen als letzten offiziellen Gruß. Weniger faktisch, nicht die akademischen Titel, das Erreichte, die Mitgliedschaften, die Ehrenämter usw. Vielmehr wer wir dahinter sind (oder dann waren), was wir so dachten, wer wir sein wollten, und ob wir es erreicht haben.
Rollen wir das Leben mal von hinten auf, denken wir es vom Ende her und sind so mutig, die Sommer zu zählen, die uns noch bleiben. Ich schwöre, wir gehen dann weniger fahrlässig mit ihnen um, verplempern nicht diesen und vielleicht sogar den nächsten.
„Mensch, werden wir wesentlich!“ sagt Madame La Petite neben mir und dann blicken wir wieder auf das Meer, schweigen und sind durchaus heiter gelaunt.
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