Es wird Zeit, dass ich über die Zuhörerin schreibe, eine Gattung, die weit unterschätzt wird, denn was wäre der Erzähler oder die Erzählerin ohne sie, die neugierig, konzentriert, wohlwollend und dennoch kritisch der Geschichte lauscht. Ich habe meine Zuhörerin gefunden und nenne sie „Kismet“, wie das Wort schon sagt: Schicksal oder Fügung. Corona hat uns auf der Insel zusammengebracht.
Und so verabreden wir uns zweimal die Woche auf ein-zwei Stunden, die nur uns gehören, top secret. Die Kerzen sind angezündet, der Hund liegt zu Füßen, draußen ist es mal schummrig, mal hell, mal regnet es, mal scheint die Sonne. Ich lese ihr aus dem Buchmanuskript vor, Kapitel für Kapitel. Was für ein Erlebnis, aufregend für mich und genauso für sie, denn wir beide sind Zeugen von etwas Fragilem und manchmal Ungelenkem, das noch im Werden ist.
Da gibt es Wörter und Sätze, die sperrig klingen, Gedanken, die zu sehr aus der Geschichte führen, manchmal besitzt die Protagonistin etwas zu viel Leichtfüßigkeit oder Beschreibungen sind ein wenig langarmig. Wie rücken Witz und Ernst ganz nah zueinander? Wir lachen, wir grübeln, und ich schreibe geschwind die Notizen…
Was morgens in der Früh und manchmal auch spät am Abend seufzend und lachend formuliert wurde, hängt wie eine erste Skizze im Raum, bekommt laut gelesen eine andere Couleur …
Mehr wird nicht verraten. Um uns herum die Bücher und Bilder, Schuhe, Schmuck und ganz viel Roma e Toska. Es ist nicht nur der Rahmen, sondern verbindet uns auf eigene Weise, diesmal als Designerin und Kundin, die meine Mode auf so besondere Weise trägt. Kismet.
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