Wo soll ich beginnen, denn die Sache ist komplex? Eine Tasche ist schon lange nicht mehr nur eine Tasche und ein Masterpiece ist schon lange nicht mehr nur ein Masterpiece. Der einzige, der immer noch der ist, der er immer war, ist Jeff Koons. Allerdings wird sein künstlerisches Statement immer spannender in einer Zeit von Bilderüberfluss, Kitsch und Kommerz, Devotionalienhandel mit Artefakten.

Jeff Koons und Cicciolina

Jeff Koons Masterpieces Studio

Neuerlicher Coup zu diesem Thema: Louis Vuitton fragte den amerikanischen Künstler, ob er nicht seine großformatigen Reproduktionen von Meisterwerken der Kunstgeschichte für eine Taschen-Edition adaptieren könnte. Entstanden ist die Master’s Collection, präsentiert im Louvre und so gut wie vergriffen. Die Käuferinnen belagerten die Boutiquen, einige nächtigten sogar davor, nur um eines dieser Objekte zu erwerben. Jeff Koons bezeichnet die Edition als „Kunst“, Namen wir „Speedy“ oder „Never Full“ addieren sich mit Mona Lise, Fragonard oder Rubens und schon sind wir mitten in der Diskussion: Was ist was? Was ist Kunst, was ist Alltag, was ist Kommerz – oder geht gar alles hier zusammen?

Ich erinnere mich an zahlreiche Momente aus meiner kunsthistorischen Vergangenheit, bei der es um dieses Definitionen ging: Kunst ist, was wir als solche deklarieren! Die sorgfältige meisterliche Verarbeitung von Louis Vuitton zählt nicht dazu, das gehört ins Kunsthandwerk, jedoch das Statement von Koons macht die Tasche in ihrer Gesamtheit zur Kunst. Basta! Und der Run auf diese „Must haves“ gehört zum Kunstzirkus dazu oder gar in den „erweiterten Kunstbegriff“? Das meine ich durchaus nicht abwertend, sondern eher mit Faszination. René Magritte (1898 – 1967) wusste es schon genau: „Ceci n’est pas une pipe“ und dann malte er die Pfeife auf Leinwand (1928/29) und sie ist nicht mehr nur eine Pfeife.

magritte1

Mit noch größeren Konsequenz verfolgte Marcel Duchamp (1887 – 1968) eine ähnliche Idee. Vor ihm war ein Kunstwerk ein Kunstwerk, nach ihm war es eine Idee. Wer kennt nicht das Foto von dem „Fontain“ (1917), seinem berühmten Pissoir.

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Wenn ein Künstler immer auch ein Statement zur Zeit liefert, dann trifft Koons den Nerv. Wir laufen in die Museen, stehen in der Schlange vor den großen Schauen, drängeln uns vor die Mona Lisa. Richtig sehen können wir sie aber besser im Gift Shop oder auf dem Handy nach der Ausstellung. Postkarten, Kalender, Bleistifte, Notizbücher … alle verziert mit der Mona Lisa, mit Van Gogh, Manet und Monet … Das ist allerdings keine Kunst, das ist reine Reproduktion. Hätte ich damals im Studium nur besser zugehört, dann könnte ich jetzt den Philosophen Walter Benjamin und seine bedeutende Abhandlung zur „Kunst in Zeiten der technischen Reproduzierbarkeit“ (1936) aus dem Stegreif zitieren. Zudem höre ich immer den damaligen Chef der Dresdner Kunstsammlungen klagen, dass die großen Meisterwerke auf allem Möglichen abgebildet sind, das Geheimnis und das Erlebnis ginge so verloren. Er hatte Recht und Unrecht, denn das Geheimnis bleibt beim Werk, aber es verlagert sich auch mit seiner Aura (der Reproduktion) in den Alltag.

Mona-lisa_in_the_Louvre

Halten wir abschließend fest: Jeffs Koons erklärt die Tasche zum Kunstobjekt! Und damit ist sie nicht mehr nur eine Tasche („Ceci n’est pas une pipe“), und im besten Fall tragen wir sie stolz und erfüllt mit dem Wissen um die Komplexität, Schönheit und Einmaligkeit der Kunst.

Mind the Date: Luxury Bags Auktion am Dienstag, den 10.10.2017, 19.00 Uhr in der MILCHSTRASSE 11 in Hamburg-Pöseldorf.