Jeff Koons gestaltete die heutige 8. Künstler-Ausgabe der WELT und wir wurden gefragt, ob wir dabei sein möchten. Das weckt Erinnerungen an den Event im Oktober in der MILCHSTRASSE 11 als seine Masters Edition für Louis Vuitton gezeigt und versteigert wurde. Koons ist einer der teuersten und berühmtesten Künstler unsere Zeit, er polarisiert. Ich habe mir erlaubt sein Interview mit Kommentaren zu eigenem Gelebten, Gedachten, Gesehenen zu versehen – ein Spannungsbogen zwischen Künstler und Designerin/Kunsthistorikerin.
Kunst ist die Essenz unserer Möglichkeiten
Das Interview führte der Journalist Cornelius Tittel für DIE WELT.
Koons: Ich schätze die Gefühle, die Kunst hervorrufen kann, und starke Gefühle können wiederum zu Ideen werden. Die Zeitung als Plattform für diese Form der Kommunikation durch Kunst zu nutzen ist eine faszinierende Vorstellung. Ich liebe es, Dinge in meinem alltäglichen Leben zu entdecken und will diese Erfahrung auch mit anderen teilen. Ich selbst bin dazu erzogen worden, der Welt mit Offenheit und Neugierde zu begegnen. Das ist nicht bei allen so. Aber ich glaube, wenn man Menschen mit Bildern in Kontakt bringt, die Emotionen freisetzen können, dann lassen sie sich von dieser Kraft der Kunst auch überzeugen.
BT: Kunst hat schon immer meine Mode bestimmt und starke Emotionen hervorgerufen. Die erste Kollektion, in der ich bewusst Kunst verwendet habe, war 2012/13 „From DADA to GAGA“ mit Max Ernst als Pate, gefolgt von dem nächsten Winter „Seascape“ mit einem Gemälde von Monet als Leitmotiv. Den Sommer drauf bestimmte Iwan Schischkins „Promenade dans le Fôret“ aus der Trejakow Galerie in Moskau das Thema „Into the Woods“. Seidentuch, Bluse oder Kleid wurden zu mehr als nur Klamotte, sie erzählten und inspirierten, die Welt ein wenig anders zu sehen.
DIE WELT: Mitte November werden Sie nun in Berlin sein, um Ihre eigene Zeitung fertigzustellen. Ohne zu viel zu verraten: Was wollen Sie mit der WELT des Jeff Koons erreichen?
Koons: Die Ideen des Werdens und der Transzendenz sind ganz zentral für mich. Und wenn es darum geht, eine nächste Bewusstseinsebene zu erreichen, dann ist das für mich verbunden mit dem Respekt für unsere Wurzeln. Woher kommen wir? Welches Erbe haben wir von unseren Vorfahren angetreten? Es wird also um Kulturgeschichte gehen, um die Kunst der Vergangenheit, aber natürlich immer mit Bezug auf die Gegenwart. Ich will dem Leser zeigen, dass wir Kunst letztlich in uns selbst finden: Kunst ist die Essenz unserer eigenen Möglichkeiten.
BT: Ich würde nicht ganz so weit gehen wie Koons bzw. würde es anders formulieren: Wir tragen in uns eine Summe von Kunst und Kulturellen Erfahrungen. Wir besuchen Museen, Ausstellungen, jeder hatte mal einen Kunstkalender an der Wand oder eine Postkarte mit einem Kunstwerk verschickt. Das prägt uns. Die aktuelle Roma e Toska Kollektion „Arabeske und der Persische Garten“ mit dem Link zu den 1970er Jahre eröffnete mir z. B. einen ganz neuen Zugang zur Geschichte und meinen Sehgewohnheiten. Die Kunst hilft, uns immer wieder neu zu erfinden.
Abb: In den letzten Tagen habe ich – inspiriert durch Koons – Outfits mit Mona Lisa Clutch und Seidentuch fotografiert: Blouse Arabeske und Spitzenrock.
DIE WELT: Sie nutzen verschiedenste Kanäle, um mit einem möglichst großen Publikum zu kommunizieren. Zuletzt haben Sie mit Louis Vuitton eine Handtaschenkollektion entworfen. Und nun sieht man Menschen mit Boucher- oder Manet-Taschen herumlaufen, von denen manche vorher wohl nie über diese Maler nachgedacht haben.
BT: Das stimmt, letztens kam eine Frau zu mir und erzählte, dass sie noch nie vorher etwas von „Bucher“ gehört hätte, aber gern so eine Tasche kaufen möchte. Schischkins Tuch wurde damals auch als „ist das eigentlich Zesanne?“ bezeichnet. Egal, wir müssen nicht überheblich sein, jeder Kontakt mit der Kunst ist wichtig.
Koons: Absolut. Es geht auch darum, zu zeigen, dass man selbst ein ganz einfaches Objekt noch mit bedeutenden Ideen versehen kann. Dabei spielt der Platonismus eine Rolle, die Metaphysik, eine ganz bestimmte Idee von Zeit. Wie kann man Transzendenz erreichen in seinem Leben? Man muss erst mal sich selbst akzeptieren, und wenn man das einmal gelernt hat, dann kann man aus sich herausgehen und auch anderen vertrauen. Wenn man sich unsere Geschichte anschaut, dann geht es immer darum, dass der Einzelne etwas findet, das größer ist als er selbst. Es gibt bei Manet Referenzen an Velázquez, Raffael und Watteau. Eine Abstammungslinie, die sich durch die gesamte Kunstgeschichte zieht. Da drückt sich diese Idee aus, dass wir alle auf den Schultern von Giganten stehen. Wir müssen das genauso machen, und nur auf diese Weise können wir großzügig sein zu den kommenden Generationen. Es geht um Grundsätzliches. Wenn jemand mit der Tasche die Straße runterläuft, dann sagt das ja nicht: Ich gehe gern zu Kunstausstellungen; sondern es drückt sich ein Humanismus aus, eine Großzügigkeit, eine Dankbarkeit gegenüber dem Erbe unserer Vorfahren.
DIE WELT: Sie verneigen sich in Ihrer Arbeit laufend vor Giganten. Welche stehen Ihnen persönlich am nächsten?
Koons: Natürlich fallen mir da sofort Manet, Duchamp und Leonardo da Vinci ein. Der Kanon der westlichen Kunst, wenn man so will. Ich muss aber auch sofort an die Höhlenmalereien von Lascaux denken. Sie repräsentieren für mich wirklich diese innere Verbundenheit mit dem Leben in seiner Gesamtheit, der biologischen Natur und den Ideen der Menschen. Alles kommt in diesen Bildern zusammen.
BT: Meine Giganten: Leonardo da Vinci, Picasso, Coco Chanel, Yves Saint Laurent … Und bestimmt kommen jedes Jahr weitere dazu und betten einen zärtlich ein in eine Welt von Schönheit.
Abb: Entwurf zu einem Seidendruck „DaVinci“ als spätere Bluse und Tuch für Roma e Toska.
DIE WELT: Sie haben ein enges Verhältnis zu Deutschland. Viele Ihrer Skulpturen werden hier hergestellt, Sie haben eine Zeit lang in München gelebt. Und in den Achtzigerjahren durch Ihre Ausstellungen bei Max Hetzler die Kölner Szene kennengelernt.
Koons: Martin Kippenberger war der Erste, den ich kennenlernte. Er kam mit Max Hetzler nach New York, um meine „Equilibrium“-Ausstellung zu sehen. Martin gefielen die Arbeiten, und wir fingen an, Zeit miteinander in Köln zu verbringen. Lange Abende in der „Pink Champagne Bar“ mit Martin, Max, Georg Herold, Albert Oehlen, Jutta Koether. Ich habe mich mit Günther Förg angefreundet und war in Gruppenausstellungen mit vielen dieser Künstler. Es war ein richtiges Gefühl der Zusammengehörigkeit. Wir alle sahen Kunst als eine globale, fast universelle Aktivität, und ich denke immer noch sehr gern an diese Zeit zurück. Wenn ich heute eine Arbeit von Martin sehe, dann lässt mich das immer noch innehalten. Genauso wie die Ausgabe des Magazins BLAU mit Georg Herold auf dem Cover. Seine Ziegelsteinbilder, die Kaviarbilder, ein so präzises, extremes Werk. Ich habe das alles genau verfolgt.
BT: Die Namen wecken in mir alle lebhafte Erinnerung an eine Zeit, als ich noch als Herausgeberin von Städte-Kunstführern die Galerien besuchte und mir Hetzler begeistert von seiner Neuentdeckung Koons erzählte. Von Günter Förg hängen drei Farblinolschnitte von 1989 in der Milchstrasse 11 …
DIE WELT: Wenn wir uns Ihr Werk heute anschauen, dann scheint König Ludwig II. von Bayern einen größeren Einfluss auf Sie gehabt zu haben als Georg Herold.
Koons: Sie haben recht. Es fällt mir schwer, meine eigene Arbeit anzusehen und darin nicht seine Präsenz zu spüren. Meine ganze „Gazing Ball“-Serie ist eng mit ihm verbunden. Er war ja derjenige, der in seiner Zeit die Zierkugeln wieder populär machte in Deutschland und sie überall in seinen Parks platzieren ließ und sogar in seinem Schlafgemach. Ich selbst habe Zierkugeln erstmals als junges Kind in York, Pennsylvania, gesehen. Dort gibt es eine große deutschstämmige Bevölkerung, und die Menschen haben sie in ihren Vorgärten. Ich liebte die Großzügigkeit, die sich darin ausdrückt: Das ist ja für die Nachbarn gemacht, die vorbeigehen und sich an den Reflexionen erfreuen. Ich selbst nutze die kobaltblauen Zierkugeln, um damit die Unendlichkeit des Universums zu repräsentieren. Für Ludwig waren sie eine Insigne seiner Herrschaft als Mondkönig.
DIE WELT: Ist Ihre Liebe zu Ludwig das Erbe Ihrer Münchner Zeit?
Koons: Auch meine unzähligen Besuche in der Alten Pinakothek waren prägend. Viele der Bilder, die ich für meine „Gazing Ball“-Serie verwendet habe, stammen aus der Alten Pinakothek in München. Rubens, Boucher, Altdorfer. Ich komme fast jedes Jahr zurück, um mir die Sammlung wieder anzusehen. Und dann ist da meine Liebe zum Hefeweizen. Wenn man einen Schluck Hefeweizen nimmt, dann ist das eine fast spirituelle Erfahrung. Letztlich geht es auch um die Zugänglichkeit, die der Erfahrung innewohnt. Jeder, wirklich jeder kann die spirituellen und philosophischen Aspekte erfahren, die sich in so etwas Einfachem wie einem Schluck Weißbier offenbaren.
DIE WELT: Und diese Zugänglichkeit werden Sie auch mit Ihrer Ausgabe der WELT anstreben?
Koons: Das ist mein Ziel.
BT: Ich steh zwar nicht auf Hefeweizen, aber genauso wie Koons geht es mir darum, die Vielfältigkeit von Kunst und Alltagskultur zusammen zu bringen und diese Erfahrungen zu teilen.
Abb: Bouclé Blazer Roma e Toska, Vintage Kette Yves Saint Laurent, Seidentuch Jeff Koons „Mona Lisa“
Mit jedem Online Kauf bei Roma e Toska gibt es in den nächsten Tagen eine Ausgabe der Jeff Koons DIE WELT Edition mit einem besonderen Stoff aus der aktuellen Kollektion. Das gilt natürlich auch für die Kunden in der MILCHSTRASSE 11.
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