„Jean Seberg – Against All Enemies“, USA 2019, sollte am 26. März 2020 in Deutschland in die Kinos kommen. Mitten im Lock-Down, keine Chance. Nun fand der offizielle Film-Start gestern statt. Gesehen habe ich ihn noch nicht, und auch das ist neu in diesen Zeiten, über einen Film zu sprechen, über den man bislang nur in Rezensionen gelesen hat. Ich versuche es dennoch.

Das Original „Siberg“ oder „“Sé-berg“, wie ich es damals als Mädchen in der Provinz versuchte auszusprechen, war eine verstörende Erscheinung mit ihren raspelkurzen Haaren, dem androgynen Look, dem T-Shirt, dem berühmten T-Shirt, mitten auf dem Boulevard in Paris. Ich spreche von „A Bout de Souffle“, von Jean-Luc Godard, 1960, ein Jahr vor meiner Geburt und erschienen und mindestens 12 Jahre, bevor ich das erste Mal etwas davon erfuhr: „Außer Atem“. Da hatte ich ähnlich kurze Haare, musste Junge sein und wollte vielmehr Rausche-Engel spielen.

Irgendwie hat sie mich immer begleitet, insgeheim als ein Model von Frau, das mir lange unbekannt blieb. Es hieß zuhause, sie wäre melancholisch gewesen, depressiv, und deswegen wäre sie gestorben, 1979, da war ich gerade 18, in der Abiturklasse und wünschte mir immer noch sehnlichst lange Haare zu haben. Verboten!

„Außer Atem“ Deutsche Erstaufführung 5.7.1960, Jean-Luc Godard mit Jean Paul Belmondo und Jean Seberg in den Hauptrollen.

Ich hatte keine Ahnung von der Nouvelle Vague und der Bedeutung dieses Films für die Geschichte des Films. Es war damals eine Revolution. Godard brach mit allen Konventionen und schuf gleichzeitig ein neues Frauenbild jenseits der verführerischen Hollywood Schönheiten. Hätte ich das ich gewusst, ich hätte anfangen meine T-Shirts und ausgebeulten Hosen zu lieben anstatt sie zu hassen.

Die Süddeutsche Zeitung betitelt die Story mit „Zerstörung einer modernen Frau“ und schildert, wie sich der Film von Benedict Andrews mit Kristen Stewart in der Hauptrolle, vor allem auf die Zeit nach dem großen französischen Erfolg konzentriert. Die Filmheldin verliebt sich den afroamerikanischen Black Panter Aktivisten Hakim Jamal (Anthony Mackie) und rebelliert gegen das System, dessen Opfer sie werden soll. Sie wird bespitzelt und ihr Leben wird manipuliert von J. Edgar Hoovers FBI Schergen.  Als sie mit nur 40 Jahren tot in einem Auto in Paris aufgefunden wird, hält man es für einen Selbstmord. So wie es bei uns zu Hause am Mittagstisch erzählt wurde: sie war traurig, depressiv und hat sich das Leben genommen. Weiter wurde nicht aufgeklärt. Der Name blieb, die Frisur und ein T-Shirt mit der Aufschrift „New York. Harold Tribune“ mitten in Paris.

Sie gehört zu einer neuen Generation von Frauen, die sich nicht perfekt findet, die überrascht ist, das man sie begehrt und die mit sich hadert, was sie umso begehrenswerter macht, wie einer ihrer Liebhaber, der mexikanische Schriftsteller Carlos Fuentes, über sie schrieb. Ich werde sie zu meinen wichtigen Frauengestalten des 20. Jahrhunderts addieren. Jean Seberg.