Arm in Arm schlendern wir entlang der Seine, Toska und ich. Wie schön ist doch Paris! Wir in Hamburg lieben unsere Stadt im Norden und finden, sie ist die Schönste in Deutschland mit der Elbe, dem Hafen, der Alster, den Parks … Aber Paris, das ist die Metropole, in der das Herz aufgeht, besonders an einem sonnigen Tag wie vorgestern.
Unbedingt muss ich ein Foto von Voltaires (1694 – 1778) Haus machen, in dem er am Vorabend der Französischen Revolution starb. Toska wohnt um die Ecke. Ich erzähle von seiner Geliebten, Émilie de Châtelet, eine schillernde Frau, die als erste den Mathematiker Isaak Newton ins Französische übersetzte. Vergessen. Geschichte wird eben von Männern geschrieben. Wir sind im Gespräch, wie es Paris provoziert.
Beide stellen wir uns vor, auf einem dieser Hausboote zu leben. Was für eine romantische Idee, die Seine, der Eiffelturm, gegenüber Voltaire, das Musée Quai d’Orsay und die Academie Française. Ich denke an unsere Shirts mit dem Slogan: Das Schiff liegt sicher im Hafen, aber nicht dafür wurde es gebaut„.
Die Hausboote machen eine Ausnahme, sie liegen fest vertäut und können sich doch mit dem kleinen Motor fortbewegen. Enstanden sind sie in den zwanziger Jahren in Paris aus umgebauten Lastschiffen („Pénichen“). Wohnraum war teuer geworden. Nach dem Krieg wurden sie für den neuen Nutzen in Serie gebaut.
Weiter geht es unter der Pont Alexandre III hindurch, auch sie wurde wie der Eiffelturm zur Weltausstellung 1900 errichtet. Gold wird Trend, fällt mir dabei ein. Gold und das Blau des Himmels.
Von der Avenue Montaigne und der Galerie Dior geht es Richtung Marais mit seinen Galerien, Cafés, kleinen Geschäften. Ich muss unbedingt den Rock von Courrèges kaufen, freue mich schon ein Jahr darauf. Er ist zu kurz, ich weiß, aber es ist Paris und mein Plan: „2 Kilos to go!“. Nasche nur ein paar Frites, trinke Wasser.
Toska erzählt von den Passagen, die im 19. Jahrhundert entstanden, sie zeigen den Wandel mit der Industriellen Revolution hin zu einer Konsumgesellschaft. Walter Benjamin hat über sie geschrieben (Das Passagen-Werk). Ich höre interessiert zu, wir sind im Gespräch, mein Auge kann sich nicht sattsehen. C’est Paris!
Endlich eine Pause mit der versprochenen heißen Schokolade bei Les Deux Magots in Saint-Germain-des-Prés. Und wer sitzt mit schräg gegenüber? Mein Herz macht benahe einen Aussetzer: Annie Ernaux, vertieft in eine Diskussion mit ihrem Gegenüber. Mein Blick bleibt auf ihr haften, während ich Toska alles von ihr erzähle, was ich weiß. Wir kaufen ihre Bücher danach.
Wieder eine Passage, wieder ein geschichtsträchtiger Ort: das älteste Restaurant Paris, Le Procope (1686), in dem sie alle saßen, Voltaire und Rousseau, Benjamin Franklin, sicherlich auch Alexander von Humboldt, der Paris so liebte. Das nächste Mal essen wir hier, versprochen.
Und dann werde ich die Muschelbluse tragen oder eine andere sowie den Rock von Courrèges, der etwas tiefer gerutscht ist, weil die Speckröllchen auf den Hüften verschwunden sind. Auch das versprochen.
Wie ich dieses Paris liebe, zu Fuß, ohne Hektik, ohne Sightseeing-Attitüde. Wir wandern durch Geschichte, vereint in einen fließenden Austausch von Gedanken, immer noch untergehakt… bis wir wieder am Quai Voltaire eintreffen. – Fehlt nur noch das Lied dazu, das ich summe, während mich das norddeutsche Grau längst wieder eingefangen hat: Josephine Baker, J’ai deux Amour, von 1930.
Schreibe einen Kommentar