Das erste obligatorische Foto nach der Sommerpause: It’s a Dienstag. Rechts Carmen, gut gelaunt wie immer an diesen Events, in der Mitte Livia Reimers, die Künstlerin der Lampenschirme, links dann ich, easy going und neugierig auf Gespräch und Abend. Hinter uns liegt ein langer Sommer, den jeder auf seine Weise verbracht hat, entsprannt und geschäftigt. Livia die meiste Zeit in ihrem Atelier vis-à-vis in der Poolstrasse 12.

Wir kennen uns seit eineinhalb Jahren, und wir kennen uns nicht, oder besser, wir entdecken uns. Jede umgibt das Geheimnis des Nicht-Alles-Gesagten, die leise Aufforderung, zwischen die Sätze zu horchen und das Gesicht zu beobachten, wie es sich verändert vom Ernst zum Lachen, zur Nachdenklichkeit und manchmal auch zur Melancholie.

Ich habe keinen Plan, was ich fragen werde, wie ich einsteige in das Gespräch, das wir vorgestern so spontan verabredeten für die erkrankte Els Duffhues. Wenn es irgend geht, versuche ich die klassische Abfolge von beruflichen Werdegängen zu umgehen.

„Was ist das Besondere an dem Lampenschirme machen?“, frage ich. „Die Stille“, antwortet sie. Und dann holt sie weiter aus: die Farben, die Materialien, die Bänder, wie sie sorgfältig geschnitten werden, wie das Licht eingefangen und gestaltet wird.

Nach dem Abitur wollte sie dem akademischen Familienumfeld entfliehen, etwas mit den Händen schaffen, umsetzen, was Jil Sander für die Mode erfand: eine klassische Zeitlosigkeit mit einer Perfektion in der Schlichtheit und trotzdem der Wärme von Individualität.

Wie anders sie ihre Welt zu der meinen schildert. Während ich aus dem Chaos heraus lebe und die Einflüsse von außen sammele, sucht sie die Kreativität aus sich heraus, in der Abgeschiedenheit des Ateliers und mit den Konstanten der handwerklichen Fertigkeit und der kontemplativen Wiederholung. Wir sind wie zwei Pole, symbiotisch auf der einen und der anderen Seite der Straße miteinander verbunden.

Ralf von Maison f., der Dritte im Bunde der Poolstrassen-Gemeinschaft.

Livia erzählt von ihren AuftrageberInnen, wie sehr sie die Kommunikation liebt, um gemeinsam zu erarbeiten, wie Lampen und Licht zu wichtigen Elementen werden, die ein Zuhause ausmachen. Steckt hierin vielleicht eine unserer zentralen Anliegen: Objekte zu schaffen, die etwas von uns und unserer Geisteshaltung in sich tragen und die genau deswegen verstanden und geliebt werden?

Wir reden über die verschlungenen Wege, die wir gegangen sind, die Menschen, die zu Mentoren wurden, die Kundin für ein besonderes Grün, die so entscheidend wurde für die ersten Schritte. Bei mir war es die damalige Direktorin des Bonner Kunstvereins, die erfolgreich verhinderte, dass ich eine typische Kunsthistorikerlaufbahn einschlug.

Und irgendwann sind wir das, was wir sind und fragen uns, was wir mit all dem machen. Livia zitiert den Philosophen Peter Bieri und sein Postulat der „Dikatur der Geschäftigkeit“ entfliehen. Wie geht das? Nichts tun? Livia lächelt, sie hat es versucht, eine Woche, dann kehrte sie zurück zu den Pinseln, Metallen, Stoffen und Lampenschirmen.

Mir geht es ähnlich, während ich diese Zeilen schreibe, sitze ich schon am Flughafen Frankfurt auf dem Weg nach Verona für die nächste Kollektion, die nächste Herausforderung, die Kooperation mit einer russischen Künstlerin im Exil, die so wunderbare Illustrationen schafft, die mich von außen wieder in die Stille führen, wo Livia den umgekehrten Weg begeht. Wir beide sind auf unsere Weise beredte Erzählerinnen.


Am Donnerstag, den 28.9., 16-21 Uhr, feiern wird unsere Gemeinschaft Poolstrasse mit den Geschäften und Ateliers. Ralf und Falk von maison f. zeigen Sondereditionen, Livia ihre Lampenschirme und wir unsere Kollektionen sowie den Brombeer-Schal, auch dafür bin ich gerade unterwegs.

Nächsten IT’S A DIENSTAG (12.9.2023) ist Madame La Petite (alias Tütü) oder auch Prof. Dr. Bettina Borisch unser Gast. „Sind Frauen weiser?“, so ihr provokanter Auftakt zu dem Gespräch über die globalen Gesundheitswesen. Anmeldung unter: info@romaetoska.de