Gestern gab es keinen Blog, ich litt unter Frühjahrsmüdigkeit und hing zugleich vor all den Videos der aktuellen Fashion Weeks und Defilees, die natürlich nicht vor Publikum wie in der analogen Vergangenheit stattfanden, sondern virtuell auf nicht minder exklusiven Laufstegen oder in aufwendigen Filmproduktionen im Hollywood Format. Geld wird also weiter ausgegeben, die Attitüde von „sparsam“ und „humble“ (eines meiner Lieblingswörter = „bescheiden“) ist bei den großen Couture-Labels nicht zu finden.
Abb: Valentino Spring/Summer 2021
Ich sitze also an meinen kleinen Monitor, halte mich mit Kaffee und Schokolade bei Laune und frage mich, worin der „Zeitgeist“ besteht, in dem, was sich dort szenisch und kreativ vor mir entfaltet? Nun könnte man behaupten, Mode ist alles, nur nicht eine Verdichtung oder ein Spiegel von „Zeitgeist“. Doch, ich protestiere, das ist Mode! Man erkennt an ihr, wie es einer Gesellschaft geht.
Wenn Christian Dior 1947 die Opulenz seines New Look zeigte, dann war es eine Antwort auf die Tristesse und das Grauen des Krieges, ein mutiges, unbändiges Postulat für Schönheit, eine tröstende Schönheit. Der Mini-Rock tat das seinige in Swinging London. Und 2021?
Abb: Schiaparelli Spring/Summer 2021
Wir kommen gerade aus einem überhitzten Zuviel, einer grellen Buntheit von global Fashion, mit 18 Kollektionen pro Jahr, Cruise-Kollektion, Pre-Kollektion, Taschen, Schuhen, Couture, Prêt-à-Porter, Hauptlinien, Unterlinien, Basic-Lines … Da werde ich beinahe atemlos in der Aufzählung.
Und was kommt nun? Der Rückzug ins Märchenschloss? Chanel. Dior, Valentino, Victor und Rolf … Das weiße Pferd trägt die Braut. Es werden Tarot Karten gelegt, versponnene Geschichten erzählt, Mann und Frau verschmelzen zu androgyn. War es das mit dem Zeitgeist?
Es ist richtig, es bedarf in diesen Monaten so viel Kreativität wie noch nie, aber müssen wir sie einsetzen, um die Effekte zu steigern, wären sie nicht wichtiger für ein grundsätzliches Umdenken.
Abb: Chanel Spring/Summer 2021
Mein Kontingent an schönen Bilder ist zwar unerschöpflich, dennoch fühle ich mich erschöpft von dem virtuellen Spaziergang durch das Wonder-Fairy-Land. Wenn ich in die Online-Dienste meines Handys schaue, dann wartet da kein mystischer lichtdurchfluteter Renaissance-Korridor, durch den ich laufe, ohne das meine Füße den Boden berühren.
Abb: Dior Spring/Summer 2021
Da sind harte Facts und beängstigende Zahlen, die ein Nachdenken, Umdenken und ein neues Handel verlangen. Was die Fashionweeks zeigen, erinnert an Edgar Allan Poes „Maske des roten Todes“. Auch dort gibt es ein Schloss, auf das sich die Adligen lustvoll und ausschweifend vor der Pest zurückziehen… Sollte man mal wieder lesen.
Abb: Valentino Spring/Summer 2021
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