Ungern spreche ich über Haare, wenn damit die Haare der Freundin oder der Kundin gemeint sind, denn Haare sind nicht einfach nur Haare, sie besitzen eine hohe Symbolik als Sitz von Lebenskraft und Seele. Einige Psychoanalytiker bezeichnen sie sogar als Über-ich. Haare zu kommentieren, ist damit auch ein Eingriff in die Persönlichkeit. Ich gehe ein wenig in die Geschichte und überlasse den Rest dem Wind.
Haare waren und sind Ausdruck einer kulturellen und gesellschaftlichen Zugehörigkeit. Kelten, Germanen und Wikinger trugen sie lang, es war ihr Zeichen von Freiheit und Kraft, die Römer und Byzantiner nannten sie abfällig die „Langhaaren“, was gleichbedeutend für „Barbaren“ stand. Um sich davon abzugrenzen, ordnet Julius Caesar seinen Soldaten an, sich die Haare zu schneiden.
Die Haare raufen, etwas an den Haaren herbeiziehen, das Haar in der Suppe oder auf den Zähnen, rote Haare und Sommersprossen, graue Haare bekommen … Das Schneiden der Haare galt vielfach als Bestrafung, als ein Akt der Kontrolle, um jemandem so die Kraft und Energie zu rauben, bestes Beispiel Samson und Delilah.
Rapunzel ließ ihr Haar herunter, damit sie befreit werden konnte, im Haar des Riesen lag sein Verstand .… Und irgendwann schnitt man die alten Zöpfe ab und lebte mit Bubikopf das neue pulsierende Großstadtleben in den Zwanziger Jahren.
Die Nachkriegszeit wollte die Haare bändigen mit kunstvoll gelegten Locken, hochtoupiert, gesprayt oder mit Haarteilen versehen. Ich sehe noch meine Mutter in den siebziger Jahren mit ihrer „Beton“-Frisur. Mir wurden die Haare kurz geschnitten, dabei wollte ich im Krippenspiel zu Weihnachten immer Maria sein. Ging nicht, wegen der Haare.
Heutzutage folgen wir scheinbar keinen Konventionen mehr, und dennoch gleicht der Gang zum Friseur einer therapeutischen Sitzung. Kaum eine Frau ist mit sich und ihren Haaren zufrieden. Wer Locken hat, will sie glatt, und umgekehrt. Hat man eine Verabredung, kann man nur hoffen, dass die Haare „gut sitzen“. Strähnchen und Colouring beschäftigen ganze Heerscharen von Visagisten, und die Wahl des Schampos, der Spülung und Kurpackungen … schafft Großunternehmen und finanziert Lifestyle-Magazine.
Auf Sylt gibt es keine Frisur, sondern nur Haare, egal ob dick, dünn, kurz oder lang. Vielleicht fühlen wir uns deswegen auf der Insel so befreit, wenn der Wind und das Meer das Styling übernehmen.
Meine Empfehlung, dieses Gefühl von Lässigkeit wieder mit nach Hause zu nehmen. – Heute schon gekämmt? Nein, zwecklos. Das Haar sitzt trotzdem und die Klamotte stimmt auch.
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