Nun beschäftige ich mich schon so viele, viele Monate mit Georges Méliès (1861 – 1938), dem französischen Pionier des Films, ohne über ihn viel geschrieben zu haben. Manchmal übersieht man seine „liebsten Kinder“, weil sie einem schon so selbstverständlich vertraut geworden sind. Wer war dieser Zauberer, Phantast, Theaterdirektor und Filme-Macher?
Vor beinahe zwei Jahren begann ich mich für das Thema des „Hypernatural“ zu interessieren, das uns entführt in eine andere Welt parallel zu der unseren, bilderreich, erzählerisch, verstörend und zugleich faszinierend. Ich umschrieb es mit dem Satz: „Wenn man die Welt nicht mehr erklären kann, ist es Zeit für die Illusionisten.“ Als erstes entdeckte ich den Film von Martin Scorsese „Hugo Cabret“ (2011), der sich um das Leben von Méliès herum entwickelt. Die Recherche begann.
Lebensläufe sind selten gradlinig und folgen doch einem geheimen roten Faden. Méliès, Sohn eines wohlhabenden Schuhfabrikanten in Paris, durfte nicht an der Ecole des Beaux Arts studieren, sondern wurde nach England geschickt, um sich dort auf die Maschinen des elterlichen Betriebes vorzubereiten. Da er nicht gut Englisch sprach, ging er regelmäßig in die magischen Vorstellungen von John Nevel Masekelyne, der als einer der ersten Menschen in Kisten verschwinden ließ, Körper zersägte oder durch Autoreifen schwebend zeigte. Alles erzählt als Theaterstück.
Zurück in Frankreich arbeitet Méliès zunächst in der Fabrik des Vaters und eignete sich dort ein breites technisches Wissen an. Verkaufte jedoch zum erstmöglichen Zeitpunkt seine Anteile an die Brüder und erwarb das Théâtre Robert-Houdin, über dem die Gebrüder Lumière ihr Atelier hatten. Alles ein Zufall oder Magie des Schicksals? Hier sah er die ersten Vorführungen eines Cinématographen.
1896 (!) eröffnete Méliès sein Filmstudio, ein Novum zu dieser Zeit. Es folgten bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges weit über 200 Filme: Die Reise zum Mond und zur Sonne, in die Tiefen des Meeres, in das Königreich der Feen … Ich nenne ihn den „Jules Vernes des Films“.
Mit dem Ausbruch des Krieges war die Epoche der Zauberwelten vorbei und Méliès geriet in Vergessenheit. Sein Atelier setzt er persönlich in Brand, aus dem Zelluloid der Filme wurden Absätze für Damenschuhe hergestellt. Sein Werk galt lange als zerstört oder zumindest als verschollen. Selbst nur wenigen Franzosen ist sein Name geläufig. Zeit, es mit den Mitteln der Mode zu ändern.
Die Stoffe mit den filmischen Motiven von Méliès sind gerade aus Oberitalien eingetroffen: die Sonne, die Meerjungfrau, das Filmset mit Fischen und Krabben. Rechtzeitig zum Sylter Sommer werden sie verarbeitet zu Blusen, Röcken und Kleidern … Monique legt noch letzte Hand an die Prototypen, die Produktion läuft auf Hochdruck.
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