Ab und an spiele ich mit Thomas, dem Galeristen, Quizduell auf dem Handy. Wir sitzen uns in seiner Küche gegenüber, ein Glas Wein daneben. Es ist ein Wissensspiel, mal gewinnt er, mal gewinne ich. Käme die Frage: Wer hat am 10. Dezember 2021 den Friedensnobelpreis in Oslo erhalten? Das ist drei Monate her. Wir würden die Achseln zucken: Keine Ahnung!

Die Auszeichnung ging an zwei Journalist:innen, Maria Ressa von den Philippinen und Dmitri Muratow aus Russland.

„Maria Ressa und Dmitri Muratow sind Teilnehmer in einem Krieg, in dem das geschriebene Wort die Waffe ist, in dem die Wahrheit ihr Ziel ist und jede Aufdeckung von Machtmissbrauch ihr Sieg ist.“ (Berit Reiss-Andersen, Komitee-Vorsitzende)

Ich habe Zeit, sitze im Zug und recherchiere ein wenig über einen Mann, dessen Name ich noch nie vorher gehört habe, obwohl er und seine Zeitung Novaya Gazeta so enorm wichtig sind für dieses große schöne Russland, das keinen Krieg will.

1993 hatte er mit Unterstützung von Michael Gorbatschow die Zeitung gegründet, führende Journalist:innen schlossen sich ihm an für eine freie investigative Berichterstattung gegen Korruption, gegen den Krieg in Tschetschenien, für Menschenrechte und Demokratie.

Seit Putin an der Macht ist, sind sechs der Mitarbeiter:innen ermordet worden, weitere schwer verletzt, ständig werden sie bedroht. In den Redaktionskonferenzen ringen sie um jedes Wort, da sonst die sofortige Schließung zu befürchten ist mit Gefängnisstrafen bis zu fünfzehn Jahren. Es darf nicht „Angriff“ heißen, man darf nicht von „Krieg“ sprechen. Man einigt sich auf „Russland bombadiert die Ukraine“. Die Novaya Gazeta ist mittlerweile das einzige noch unabhängige Printmedium, das von den wahren Geschehnissen berichtet. Wie lange noch ist ungewiss.

Anna Politkowskaya (1958 – 2006), Journalistin der Novaya Gazeta. Ermordet, Täter und Auftraggeber wurden nicht verfolgt und verurteilt.

Die Zeitung erscheint dreimal in der Woche, mittlerweile auch auf ukrainisch. Es sollte eine englische Übersetzung geben, damit wir nicht aufhören zu differenzieren zwischen den Kriegstreibern und der „erblindenden Gesellschaft“ auf der einen Seite und den Mutigen im Widerstand auf der anderen. Seit Anfang dieses Jahres verzeichnete die Novaya Gazeta einen monatlichen Onlinezugriff auf ihre Webseite von über 17 Millionen Usern, daraus sind fünf Millionen am Tag (!) geworden. Sie ist das Sprachrohr für alle Russen, die diesen Krieg zutiefst verurteilen. Novaya Gazeta

PS: Von jedem Kauf spenden wir € 50,00 an das Deutsche Rote Kreuz, Stichwort „Nothilfe Ukraine“. Vielen Dank an Euch!