Ein wenig muss ich schmunzeln, wenn ich mir die Fotos vom letzten Spaziergang anschaue. Die Tasche an meinem Arm wirkt wie ein Wurfgeschoß und nicht wie ein luxuriöses Statussymbol. Es steckt eben doch eine gehörige Portion Jean d’Arc in mir, selbst an so einem friedlichen Abend wie dem vorgestrigen. Der Dienstag Salon klingt noch nach, ein bißchen zu wenig Schlaf. Egal, alles atmet fröhlich den selbstvergessenen (oder selbstverliebten) Moment in der Natur.

Mit Genuss führe ich die neue Kindermond-Bluse aus mit den Bäumen, die Augen haben, und mit den Fabelwesen, die sich überall verstecken. Ein neunjähriger Junge hat das Bild gemalt. Ich liebe dieses Motiv, gedruckt auf Seidengeorgette, verarbeitet zu einem weitschwingenden Men’s Shirt, das optimistisch im Wind flattert.

Secondhand Valentino Tasche mit Stickereien (€ 480)

Es war mir wirklich nicht in die Wiege gelegt, als Role Model aufzutreten und meine Selfie-Fotos ins World-Wide-Web zu stellen. Meine Klassenkamerad*innen von früher, die in Kürze das 45. Abiturjubiläum feiern (ohne mich), hätten mir den Vogel gezeigt, wäre das meine damalige Vision gewesen. Abseits stand ich auf dem Schulhof, zornig die Hände vergraben in den Taschen der schlechtsitzenden Jeans von der Mutter genäht. Und nun? Hey, das „coming of age“ hat zwar ein wenig gedauert, aber fühlt sich gerade mega gut an.

Meine Kulisse sind die bunten Wiesen über dem Watt. Eine Oase inmitten der Luxusinsel, die ein offiziell anderes Bild von Kampen transportiert. Aus dem Dorfkrug schaut man mir nach, wenn ich mit Pudelmütze und in Schlapperklamotten um die Ecke gehe, im Schlepptau die Hunde. Jedoch dann, Zauber-Zauber, streife ich die Tarnung ab und zeige mein „wahres “ Ich oder zumindest einen Teil davon: Fashionista. 🧚‍♀️

Ich liebe diese Spaziergänge, auf denen das Wort „einsam“ eine positive Konnotation erhält: vertraut mit mir selbst. Seit der Kinderzeit gehört es zu mir. Wenn die anderen nicht mit mir spielen wollten, dann spielte ich eben für mich allein. War eh spannender.

Diese Unabhängigkeit habe ich mir bewahrt. Barfuss oder in alten Sneakern durch’s tiefe Gras, in Seidenhemd mit Valentino Tasche. Ein lässiges Lebensgefühl. Klick. Klick!

That’s me! Das hässliche Mädchen von einst mit den abstehenden Ohren aus der hinteren Ecke in der Stadtbibliothek. Ein wenig berauscht bin ich von dem Moment, der uns allen so gut steht. Ich binde eine Schleife um die Gräser und knüpfe ein imaginäres Band hoch zu den Wolken. Bald ist mein Geburtstag, ich werde 46 (Scherz!).