Auf der Konsole hinter mir aus dem frühen 19. Jahrhundert Schweden steht ein kleiner Stapel mit Dessert-Tellern aus den zwanziger Jahren. Sie stammen von der Künstlerin Martha Katzer (1897 – 1946), die sie für die Karlsruher Majolika herstellte. Es handelt sich um Gebrauchsgeschirr, eventuell noch handbemalt, und doch ist es etwas ganz besonderes. Die sechs Teller übereinander sind wie ein Objekt, rühren mich an und lassen mich, die Geschichte ganz anders erzählen.

Von der Weimarer Republik gehe ich noch ein paar Jahre zurück und beginne kurz nach der russischen Revolution 1917. Aus der Not geboren findet die Kunst Eingang in den Alltag. Künstler wie Malewitsch, El Lissitzky oder die Malerin Stepanowa entwarfen Alltagsgegenstände, übertrugen ihre Ideen des Konstruktivismus auf den angewandten Bereich. Farbe und Linie setzen sich fort in den Oberflächen und Formen von „täglich in der Hand“ und für eine „bessere Welt“, auf jeden Fall für eine schönere Welt.

Martha Katzer war eine der ersten Keramikerinnen, die diese neuen Gedanken der Gestaltung aufnahm. In der Manufaktur in Karlsruhe begann sie als Malerin und übernahm schnell die seriellen Produktionen, entwickelte zum Ende der 1920er eine besondere Spritztechnik, die die Handbemalung industriell ersetzte.

Das Aufblühen von Kunst und Design dauerte nur kurze Zeit. Wenige Jahre später erklärten die Nationalsozialisten die klaren Formen der Abstraktion als „entartet“. Das fröhliche Gelb neben dem zarten Türkis und Rose, geführt von der resoluten schwarzen Linie galt in als „Geschmacksverirrung“. Man verbrannte nicht nur Bücher, verbannte Künstler, man zerschmiss auch Marthas Teller, Vasen und Schalen.

Abb: Martha Katzer, sechs Dessert-Teller, 1920er, zusammen € 360.

Die Künstlerin starb kurz nach dem Krieg. Wenig ist über sie bekannt, manche ihrer Objekte haben überdauert, genauso wie dieser kleine Stapel von Dessert-Tellern von 1927. Man sieht ein paar angestoßene Stellen, aber gerade die liebe ich. Es sind die kleinen Wunden der Zeit. über die ich liebevoll mit meinem Finger streiche.